Geschafft: Bundestag gedenkt am 27. Januar der queeren NS-Opfer

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Fast ein wenig untergegangen im CSD-Trubel und der Freude über die symbolträchtigen Gänsehautmomente an Reichtagsgebäude, Kanzleramt und Ministerien: Bundestagspräsidentin Bärbel Bas teilte mit, dass das von Wolfgang Schäuble (CDU) jahrelang verhinderte Gedenken an die queere Opfergruppe der nationalsozialistischen Diktatur bereits im kommenden Jahr am 27. Januar stattfinden wird. 

Der Bundestag wird im kommenden Jahr am Holocaust-Gedenktag erstmals auch queeren NS-Opfern gedenken.

Foto: DBT / Thomas Imo / photothek

„Tatsächlich werden wir am 27. Januar 2023 bei der Gedenkveranstaltung für die Opfer des Nationalsozialismus die Menschen in den Mittelpunkt stellen, die aufgrund ihrer sexuellen und geschlechtlichen Identität verfolgt, inhaftiert und ermordet wurden“, Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD) / „Tagesspiegel“ (Samstagsausgabe)

Das habe das Präsidium bereits einstimmig beschlossen. Ein offizielles Bundestags-Gedenken an die NS-Opfer, die aufgrund ihrer sexuellen und geschlechtlichen Identität verfolgt und ermordet wurden, wird seit mehreren Jahren gefordert, eine entsprechende Petition von Unterzeichnern aus Wissenschaft, Zivilgesellschaft und Opferverbänden liegt seit 2018 vor. Bisher war das Bundestagspräsidium darauf nicht eingegangen. Der Bundestag sei nun mitten in den Vorbereitungen für die Veranstaltung, sagte Bas. Eine endgültige Rednerliste gebe es noch nicht.

„Es gibt bedauerlicherweise keine Überlebenden mehr, aber wir sind ganz eng in der Abstimmung, auch mit dem Lesben- und Schwulenverband Deutschlands“, sagte die Bundestagspräsidentin. Für den Lesben- und Schwulenverband (LSVD) erklärte Vorstandsmitglied Henny Engels, bei der ersten Gedenkstunde zum Holocaust-Gedenktag 1996 habe der damalige Bundespräsident Roman Herzog auch Homosexuelle als Opfergruppe nationalsozialistischer Verfolgung genannt. Eigens gedacht habe der Bundestag dieser Opfer bisher nicht. „Umso mehr begrüßen wir, dass das amtierende Bundestagspräsidium beschlossen hat, im kommenden Jahr diese Opfergruppe ins kollektive Gedächtnis zu rufen“, so Engels.  

Freude bei den Initiatoren der Petition von 2018

Mitinitiator Lutz van Dijk sendete anlässlich der freudigen Nachricht eine Dankesmail an alle  Unterzeichner*innen und Unterstützer*innen, die wir hier dokumentieren: 

Auch ein Erfolg unserer Petition: 

Am 27. Januar 2023 wird im Bundestag an sexuelle Minderheiten erinnert werden!  Liebe Kolleg*innen, liebe Freund*innen, Seitdem Bärbel Bas Bundestagspräsidentin ist, gibt es eine gute Kommunikation: Bereits am 22. November 2021 antwortete sie uns, dass unsere Petition

„besondere Berücksichtigung”

finden würde. (männer* berichtete)

Wenig später nahm Ministerialrat Jan Fahlbusch in ihrem Auftrag Kontakt zu uns auf – und einige Monate tauschten wir uns über konkrete Ideen zur Gestaltung einer solchen Gedenkstunde im Bundestag aus. „Wir” sind Henny Engels vom „Lesben- und Schwulenverband Deutschlands” (LSVD) und ich – begleitet und beraten von einer Planungsgruppe via Zoom Meetings von weiteren LSVD-Mitgliedern, aber auch anderen Aktivist*innen aus verschiedenen Teilen Deutschlands.   

Am 17. Juni 2022 schrieb Bundestagspräsidentin Bas erneut:

„Es ist mir ein zentrales Anliegen, am kommenden 27. Januar 2023 in besonderer Weise an jene Opfer des Nationalsozialismus zu erinnern, die aufgrund ihrer sexuellen Orientierung verfolgt wurden.” 

Am 12. Juli 2022 fand schließlich das erste persönliche Treffen in ihrem Berliner Büro statt – in gut 90 Minuten gab es einen konstruktiven Austausch zur konkreten Gestaltung der Gedenkstunde am 27. Januar 2023 sowie auch zu Ideen für eine mögliche Fachkonferenz und eine Ausstellung. Dabei soll es außer den Lehren aus der Geschichte auch um aktuelle Diskriminierung und Hasskriminalität in Deutschland und die Verfolgung und Ermordung sexueller Minderheiten in anderen Teilen der Welt gehen. Es wurde vereinbart, dass zuerst sie als Bundestagspräsidentin diese Woche eine öffentliche Erklärung abgeben würde, bevor wir informieren, siehe hier auch das aktuelle Interview im Tagesspiegel, in dem ausdrücklich auch unsere Petition erwähnt ist:

Nur gemeinsam haben wir so weit kommen können. Dafür an jede*n von Ihnen und Euch nochmal aufrichtigen Dank für das Nicht-Aufgeben in den Jahren, als es wenig Hoffnung zu geben schien. In Dankbarkeit denken wir auch an jene unserer Unterzeichner*innen, die in dieser Zeit verstorben sind und sich nun nicht mehr mit uns freuen können. Gern kann diese Nachricht ab sofort auch über Ihre und Eure Kontakte verbreitet werden. Es ist an uns allen, bereits im Vorfeld des 27. Januar 2023 auch weitere Initiativen dazu vor Ort zu entwerfen und zu planen. Sobald es bestätigt ist, werden wir auch das offizielle Programm mit Ihnen und Euch teilen. 

Nochmal Dank und herzliche Grüße,

Lutz 

Dr Lutz van Dijk

www.lutzvandijk.co.za

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