Das letzte Tabu

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In Deutschland ist es noch immer nicht erlaubt, die Urne mit der Asche eines Verstorbenen nach Hause mitzunehmen. Auch sind individuelle Begräbnisse mit Sonderwünschen durch starre Friedhofsordnungen und Gesetze kaum möglich.

Unabhängig von diesen Unwägbarkeiten, den Abschied selbstbestimmt zu gestalten, hat unsere Gesellschaft eine schon fast perfekte Unsichtbarkeitsstrategie entwickelt, um das Thema Tod aus dem Alltag der Menschen herauszuhalten. Wann hat man das letzte Mal einen Leichenwagen gesehen, wann die früher ganz normale Trauerprozession durch die Nachbarschaft? Sterben findet heute in sterilen Krankenhausbetten und in extra dafür hergerichteten Stationen statt. Sterben passt nicht zur Fortschrittsgläubigkeit einer Menschheit, die von gentechnisch herzustellender ewiger Jugend und der Befreiung von Krankheit träumt.

Diese Entwicklung bremst den Emanzipationsprozess von althergebrachten Traditionen, die zu Recht auf viele abschreckend wirken und als unpersönlich oder einfach nicht individuell passend empfunden werden. Selbstbestimmt Abschied zu nehmen scheint eines der letzten Tabus zu sein, die es zu überwinden gilt. 

Messe – Das Ende neu denken

Foto: happy END messe / panthermedia.net / lighthouse

Dieter Holhorst hat eine Mission. In seinem letzten Lebensviertel will sich der Hamburger mit Themen beschäftigen, die ihm und anderen in diesem Alter wichtig sind. DAS Thema, welches dabei immer noch viel zu gerne unter den Tisch gekehrt oder nur verdruckst besprochen wird, ist das Ende des Lebens – der Tod. Mit seiner Bestattungsmesse „happy END“ durchbricht er das Schweigen und schon durch die Namenswahl auch das Bild schwerer Vorhänge in dunklen Farben und die immer gleichen Rituale, die nur langsam an aktuelle Lebensentwürfe angepasst werden. Holhorst: „Mir ist bewusst, dass der Titel ‚happy END‘ polarisiert und zum Beispiel vorzeitiges Sterben oder Verwahrung in Pflegestationen alles andere als ein ‚happy End‘ sind. Dem will ich nicht widersprechen. Auch deshalb habe ich inzwischen eine Ausbildung zum Sterbebegleiter abgeschlossen und habe Einblicke in die unterschiedlichen Facetten des Sterbens gewonnen. Ich würde mich freuen, wenn wir gemeinsam das Sterben und den Tod ein Stück – mehr – in die Gesellschaft holen, darüber sprechen, mehr Transparenz schaffen, Bedingungen weiter verbessern und auf ein Happy End hinarbeiten.“

Nach einem Erfolg versprechenden Start im Jahr 2016 geben die Veranstalter gemeinsam mit Ausstellern aus dem gesamten Bundesgebiet und dem angrenzenden Ausland einen unverbindlichen Überblick unter anderem zu den Schwerpunkten Bestattungen/Bestattungsformen, Hospiz- und Palliativversorgung, Sterbe- und Trauerbegleitung, Vorsorge, Pflege im Alter, Hilfe bei Demenz und vielen weiteren Themen. „Oft setzt eine Auseinandersetzung mit Tod und Sterben erst dann ein, wenn die konkrete eigene Lebenssituation oder die der Angehörigen dies erfordert oder nahelegt. Im Gegensatz dazu soll die ‚happy END‘ hier auch die Möglichkeit geben, sich unabhängig von einem konkreten Anlass diesem Themenbereich zu nähern und somit Berührungsängste abzubauen,“ so Holhorst. 

5.11., happy END messe, Hühnerposten, Hühnerposten 1 a, Hamburg, U/S Hauptbahnhof, 11 – 18 Uhr, www.bestattungs-messe.de

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