ZWISCHEN DEN ZEILEN

by

Wendet man sich neuerdings an der Frankfurter Konstablerwache stehend dem schwulen Bermudadreieck zu, wird man mit freudiger Erleichterung feststellen können, dass die beharrliche Baustelle in der Großen Friedberger Straße verschwunden ist und sich zu einer Wegebeziehung gewandelt hat, die ich in der ersten Euphorie schon beinahe als Boulevard bezeichnen wollte.

Foto: flickr Nutzer gazeronly/CC BY-ND 2.0

Nicht nur, dass die mehrjährigen Tiefbauarbeiten die Einrichtung der Infostraße des Christopher-Street-Days an dieser Stelle in den letzten Jahren verunmöglicht und eines der Haupteinfallstore in die Szene zu einem Nadelöhr gemacht haben.

Die gelegentlich im Wochentakt wechselnden Absperrungen und Wegeführungen erschwerten es Geschöpfen wie mir, die ihre Orientierung im Wesentlichen aus dem Magnetfeld der Erde und dem Stand der Gestirne beziehen, beim ersten Versuch den Eingang zur Szene-Bar Lucky's zu erreichen. Einmal misslang dies sogar völlig.

Frohes Neues

Erneuerung ereignete sich auch im gegenüber liegenden Innenwinkel des Bermudadreiecks, wo mit der gelungenen Eröffnungsveranstaltung der „BlueBar“ ein neuer Laden an etabliertem Ort das Frankfurter Szene-Nachtleben bereichert.

Dabei ist es schön anerkennen zu können, dass während andernorts Läden reihenweise schließen, die Frankfurter Szene mit neuen Konzepten und Formaten innovativ bleibt.

In der Analyse kann man sich wohl weitgehend einig sein, dass durch die Dating-Portale und Apps die Szene-Lokale ihr Alleinstellungsmerkmale als Orte des Kennenlernens eingebüßt haben.

Die Orte der LGBT*-Subkultur aber bloß auf Einrichtungen zur Kontaktanbahnung zu reduzieren ist trotzdem zu kurz gedacht und wird der Realität nicht gerecht. Im Gegenteil: Erfolgversprechend ist die Auseinandersetzung mit der Frage, welche Angebote sich denn nicht im Netz abbilden lassen.

Foto: flickr Nutzer kaykim/CC BY 2.0

Mehr Musik, neue Kulturveranstaltungen oder die einladende Ansprache einzelner Personengruppen bescheren, dort wo es probiert wird, volle Läden. Und das auch außerhalb der Wochenenden und ohne Verknüpfung mit den großen Partys und Event-Feiertagen.

Gays and Friends

Im Übrigen sind Lesben und Schwule zum Ausgehen längst nicht mehr auf nur Community-Läden angewiesen und auch in der nicht-queeren Gastronomie-Landschaft willkommene Gäste.

Umgekehrt sind natürlich auch die allermeisten schwul-lesbischen Lokale – unter Wahrung ein gewissen Balance – offen für alle Gäste.

Nun konnte man aber im zurückliegenden Jahr nicht umhin, die Tendenz wahrzunehmen, dass sich in mehreren Lokalen regelmäßig und wie selbstverständlich Besucher tummelten, die nicht nur keinerlei Bezug zur Szene und der LGBT*-Community hatten, sondern deren Lebensentwürfe teilweise offen ausgesprochen ablehnten und darüber hinaus nicht selten von einem unangenehmen Hang zur Kleinkriminalität geprägt waren.

Bedauerlich ist dies nicht nur, weil diese Publikumszusammensetzung merklich auf die Stimmung drückte und die eigentlich Stammgäste fernhielt. Die Lokale, die von den vielen Dutzenden, die es noch in den 60er Jahren gab, übrig geblieben sind, sind nämlich nicht immer nur bloße Amüsierbetriebe, sondern - vielleicht nicht für alle aber doch einige, die andernorts nicht akzeptiert würden – auch Rückzugsräume.

Deshalb ist es nicht nebensächlich, das Wirte und Personal ab und an den Blick nicht nur zur Erkundung des Getränkefüllstandes durch die Gasträume schweifen lassen, sondern auch zum Prüfen der Unbeschwertheit der Besucher*innen und intolerantes und übergriffiges Verhalten nicht durchgehen lassen.

Back to topbutton