ZWISCHEN DEN ZEILEN

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Mehr als 130 Millionen Euro investieren die Deutschen jedes Jahr in Feuerwerkskörper, mit deren Hilfe sie in der Silvesternacht einem ostasiatischen Brauch folgend Dämonen und böse Geister  vertreiben. Offenbar gut angelegtes Geld, denn seit Jahren wurden keine mehr gesehen.

Großen Bedeutung misst man hierzulande auch der Wahrsagerei bei und nimmt dazu einigen Aufwand in Kauf. So muss für eine weit verbreitete Orakelvariante zunächst Schwermetall am heimischen Essenstisch aufgekocht werden, um dann sofort in kaltem Wasser wieder abgeschreckt zu werden.

In den allermeisten Fällen ähnelt das abgekühlte Endergebnis dann einer der Inseln des indonesischen Molukken-Archipels. Weil diese Interpretation im Begleitheft jedoch nicht aufgeführt ist, wird das Resultat kurzerhand und notfalls gewaltsam in ein sinnstiftendes Tier umgedeutet und die damit verbundenen Auslegungen von Glück, Gesundheit und Geldsegen wohlwollend akzeptiert.

Danach ist das Produkt allerdings bei der Problemstoffsammelstelle als Sondermüll zu entsorgen. Deshalb ist zu überdenken, ob man sich nächstes Jahr nicht vielleicht auf die Kaffeesatzleserei oder die Deutung des Vogelfluges verlegen möchte.

Ohnehin ist der Orakelspruch des 21. Jahrhunderts einfacher zu bekommen als in der Vergangenheit. Während in der Antike die Zukunft noch aus den Lebern frisch geschlachteter Opfertiere abgelesen wurde, haben wir heute für iPhone und Android die App „Bleigießen“.

Die Prinzipien des Universums

Abergläubische Praktiken wie diese haben jedoch durchaus ihre Berechtigung, entspringen sie doch dem jahrtausendealten Bewusstsein des Menschen, dass er als winziger Bestandteil des Universums unausweichlich dessen Prinzipien unterworfen ist.

Umgeben von einer sich ständig wandelnden Natur orientierte er sich deshalb schon früh an den wenigen verlässlichen und zuverlässig wiederkehrenden Merkmalen von Sonnenwende und Mondphase und versuchte am Lauf der Gestirne auch Kommendes abzulesen.

Wie sehr universelle Prinzipien auch uns beeinflussen, übersehen wir oft in unserem Alltag, sind dann aber umso verblüffter, wenn wir es überraschend bemerken.

Solches konnte ich unlängst über mehrere Tage hinweg bei Menschen in ihrem natürlichen Lebensraum beobachten.

Ohne bereits schwimmende Vorbilder oder anordnende Hinweisschilder begannen Frauen nach dem Eintauchen in das kreisrunde Schwimmbecken meines Frankfurter Spa und Fitness-Studios unwillkürlich eine Kreisbahn gegen den Uhrzeigersinn zu schwimmen.

So auch die Autorin, ohne sich dieser Tatsache überhaupt in den ersten Tagen bewusst zu sein.

Erst die durchkreuzenden Schwimmbahnen der Männer machten bei den folgenden Besuchen darauf aufmerksam.

Denn ihre verliefen wie gottgegeben und selbstverständlich in direkter Bahn kreuz und quer durch die Mitte des runden Beckens von Rand zu Rand, während die Beckennutzerinnen weiterhin ihre Kreisbahnen zogen. Die damit einhergehenden, konfliktträchtigen Kursüberschneidungen waren unausweichlich.

Und unübersehbar lag auch die Ursache für den weiblichen Rundkurs und die vermeintliche männliche Geradlinigkeit für die Autorin beinahe umgehend auf der Hand.  

Beide Geschlechter folgen nämlich schlichtweg den Prinzipien des Universums, in dem sich einfach alles dreht - Galaxien, Sonnensysteme, Himmelskörper.

Foto: flickr Nutzer Robert Sullivan/Public Domain

Den gleichen Naturgesetzen, die auch auf unserer Erde tropische Wirbelstürme und Wasserstrudel links herum rotieren lassen, unterliegen meiner Theorie nach auch die Menschen der Nordhalbkugel, die sie unbewusst ebenfalls gegen den Uhrzeigersinn schwimmen lassen. Glaubwürdige wissenschaftliche Erhebungen, ob dieser Schlussfolgerung nach Frauen auf der Südhalbkugel in runden Becken rechts herum schwimmen, waren jedoch nicht zu recherchieren.

Weshalb jedoch schwimmen Männer gerade Bahnen in runden Pools, wenn doch im Universum alles rotiert?

Ganz einfach: Auch sie schwimmen nur scheinbar geradeaus, in Wahrheit aber ebenfalls im Kreis. Nur eben, die tatsächlichen Größenverhältnisse außer Acht lassend, auf einer vielfach längeren Kreisbahn. In einem nur 20 Meter durchmessenden Becken muss es dem ungeübten Auge deshalb wie eine gerade Linie vorkommen.

Foto: flickr Nutzer Yohann Legrand/CC BY-SA 2.0

Das Prusten und Stöhnen beim Eintauchen des Mannes in Wasser und der überflüssige Wellenschlag beim Schwimmen der ersten Bahn hat dagegen mit galaktischen Prinzipien rein gar nichts zu tun. Sie sind lediglich Zeugnis des testosterongeschwängerten Bedürfnisses nach Aufmerksamkeit und sollen deshalb hier aus der Betrachtung herausfallen.

Ohne mich an dieser Stelle zu weit aus dem Fenster lehnen zu wollen:  Könnte es nicht sein, dass in diesen unterschiedlichen Dimensionen von Selbstwahrnehmung und Verhalten der Geschlechter der Urkonflikt zwischen ihnen begründet liegt?

Zugegeben ein sehr großer Gedanke für so einen frühen Zeitpunkt im Jahr, so dass wir weitere diesbezügliche Grübeleien lieber auf einen lauen Abend in den warmen Monaten vertagen.

Denn nach den planetaren Gesetzmäßigkeiten wissen wir, dass nun die Tage schon wieder länger werden und mithin auch wärmer.

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