ZWISCHEN DEN ZEILEN

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Danke ARTE.

Dafür, dass du nach dem Abendprogramm mit drei Stunden Tanztheater und gelben Untertiteln dann immerhin im Spätprogramm noch Beiträge wie neulich das Freddie Mercury-Porträt zeigst.

Denn es war genau die biografische Hälfte, die dem Film „Bohemian Rhapsody“  gefehlt hat.

Als „keimfrei“ bezeichnete ein Bekannter das Hollywood-Epos um das Leben des Queen-Leadsängers.

Ein schmachtender Blick nach einem auf dem Herrenklo verschwindenden Trucker, etwas tuntiger Plausch in Sektlaune mit einem Radiomoderator. Später zwei, drei Küsse von Mann zu Mann und ein gutes Dutzend Statisten in Lederkleidung. Darin erschöpft sich weitgehend die Darstellung des schwulen Lebens des ikonenhaften Rockstars.

Gleichzeitig legen die Macher Mercurys inneres Outing und das Bekenntnis zu sich und seiner Sexualität über den Zeitabschnitt seines Karrieretiefpunkts und die seelischen und physischen Niederlagen. Schließlich gebietet es dann das Hollywood-Pathos, dass mit der reumütigen Rückkehr in den Schoß der Hetero-Queen-Familie das für den HIV-Infizierten Freddie bestmögliche Happy End erreicht ist.  Feuchte Augen kriegte man im Kinosessel zwar, danach bleibt trotzdem der Eindruck, man habe ein retuschiertes Bild gesehen.

Foto: Twentieth Century Fox of Germany

Danke also ARTE, für die Anekdote, dass Freddie Mercury während der Arbeit an seinem Solo-Album besonders darunter litt, dass Michael Jackson immer ein Lama mit ins Aufnahmestudio brachte.

Der „Mechaniker“ ist gegangen

Mir selbst fielen im letzten Monat des gerade ausgeklungenen Jahres aus einem eigentlich recht bedrückenden Anlass gleich mehrere heitere Anekdoten ein.

Als ich nämlich noch recht neu in die Frankfurter Szene war, traf ich einmal deutlich nach Mitternacht im damals noch vorhandenen HALO einen Mann, mit dem ich schnell in eine engagierte Debatte verfiel.

Der Nebel der damals späten Stunde verbirgt in der Rückschau vor mir, was damals die Causa war. Allerdings bin ich mir recht sicher, dass ich es war, die damals trotz aller mir nachgesagten Disput-Erfahrung aufgeben musste.

So habe ich Peter, den Sponsoren-Experten und „Mechaniker“ des Frankfurter CSD-Vereins, kennen und wertschätzen gelernt und wir haben das Argumente-Sparing gerne fortgeführt, wenn wir uns begegneten. Notfalls auch unter wummernden Bässen und einander in die Ohren schreiend auf der Club 78-Party.

Nun konnte Peter nicht mehr mit uns in das neue Jahr kommen.

Mensch eben

Ich erinnere mich, wie ich ihm bei einem für das Bar-Hopping notwenigen Transfer-Spaziergang  auf der Alten Gasse begegnete, während er mit Maßband und Kreide mitten in der Nacht die Standeinteilung für das bevorstehende Sommerfest der AIDS-Hilfe abzirkelte.

Und natürlich daran, wie er mir – ebenfalls eines Nachts im HALO – kurz vor der offiziellen Verkündung konspirativ und unter Abnahme eines Verschwiegenheitseides das Motto der „Lieb Geil“-Kampagne erläuterte. Ich reagierte damals wohl mit einem „Oh, wow!“ oder ähnlichem.

Foto: Event Profits

Ohne natürlich zu wissen, welche Brecher der Empörung später über die Macher*innen des Frankfurter CSDs herein rollen würden.

„Es hat dich verletzt, als deine Kampagne derart topediert wurde – auch wenn natürlich nicht du persönlich gemeint warst. Aber es hat dich schwer getroffen, denn es sickerte bis in Deine Gemeinschaft rein, vor der Du nun glaubtest dich rechtfertigen zu müssen“, rief ihm sein Weggefährte Joachim Letschert auf der Trauerfeier zu.

Nicht um die Anfeindungen von damals noch einmal aufzuwärmen, sondern um die Verletzlichkeit des ansonsten sehr pragmatischen Peter deutlich zu machen. „Mensch eben.“

Einer, der die ursprüngliche Community ge- und erlebt hat. Ihre Orte, an denen sie sich traf und ihre Verbindlichkeiten.

Vor diesem Hintergrund war es nicht überraschend aber doch bemerkenswert, dass sich zu Peters Abschied die Frankfurter Szene beinahe vollständig und szene-ungewöhnlich um 12 Uhr mittags in der Schönen Müllerin eingefunden hatte.

Denn wie ich, haben sicherlich die meisten Szene-Akteur*innen Frankfurts die eine oder andere Anekdote zu Peter und seinem Wirken, „dass dich zu einem bekannten, beliebten, ja unwegdenkbaren Teil nicht nur der Frankfurter Szene gemacht hat“, wie Joachim Letschert es in seiner Trauerrede sagte.

Der CSD werde zukünftig nicht umhinkommen, bei dem einen oder anderen Projekt seinen Namen auf immer anzufügen. Die gemeinsamen Erfahrungen hätten gezeigt, wie wertvoll das Leben sei, gleich, was gerade sei, gleich, was hinter uns oder vielleicht noch vor uns liege, beendete Letschert seine Abschiedsworte. „Was zählt, ist jetzt!“

So lasse ich es stehen.

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