Kolumne: Magere Jahre?

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Es ist Winter. Doch nicht nur deswegen wird der Wind rauer. In der gesamten Gesellschaft wird das Klima kälter – vor allem aber für ihr i-Tüpfelchen: die LGBTIQ*-Community. Das Jahr 2023 endete mit einer lähmenden Diskussion über die Prioritäten, mit denen ohnehin nicht vorhandenes Geld für die Herzensprojekte der drei Bundeskoalitionspartner*innen eingesetzt werden sollte. Was ist wichtig, was egal und was Gedöns?

Bild: Steve Buissinne/Pixabay

In welche Kategorie die Strukturen für queere Menschen fallen, wenn es hart auf hart kommt, ist seit der Hessenwahl klar: In den ersten Sondierungstagen, als der Wahlsieger CDU breitbeinig über eine SPD in der Duldungsstarre einer Niederlage herfiel, gab es für die hessischen LGBTIQ*-Interessierten einen galligen Vorgeschmack auf das, was da noch kommen könnte. Künftig werde festgeschrieben, „dass in staatlichen und öffentlich-rechtlichen Institutionen (wie Schulen, Universitäten, Rundfunk) auf das Gendern mit Sonderzeichen verzichtet wird“, hieß es in einem ersten Papier.

Was fehlt

Wenn wir ehrlich miteinander sind: Davon geht die LGBTIQ*-Welt nicht unter. Ein * ist immer noch nur ein Symbol, das Menschen nutzen, denen gendergerechte Sprache wichtig ist. Andere, denen sie egal ist, lassen diesen Platzhalter weg. Deutlich größere Besorgnis löste unter den queeren Verbänden in Hessen aus, dass viele Beratungs- und Versorgungsstrukturen mit Bezug zu sexueller Orientierung und geschlechtlicher Vielfalt zunächst gar keine Erwähnung fanden. Nun ist Papier geduldig, dazu gehören auch Sondierungspapiere und Koalitionsverträge. Auch Vorhaben, die dort nicht explizit erwähnt sind, dürfen von der Regierung umgesetzt werden, wenn sich die beiden Partner*innen einig werden. Umgekehrt hatte die Ampelkoalition als „Fortschrittsregierung“ in ihrer Koalitionsvereinbarung zum queerpolitischen großen Sprung nach vorne angesetzt und wurde dann durch Corona, Krieg und ein Karlsruher Urteil ihres Schwungs beraubt.

Was bleibt

Indes ist kaum vorstellbar, dass in den kommenden Jahren LGBTIQ*-Belange so viel Raum und Ressourcen zugemessen bekommen wie zuletzt. Mit dem bisherigen Sozialminister Kai Klose verliert Hessen einen durchsetzungsstarken Schrittmacher beim Aufbau queerer Strukturen in der Fläche. Nach seinem Ausscheiden aus der Landespolitik und dem Rauswurf seiner Partei aus der Landesregierung ist die Community in Unruhe und orakelt, wie viel von der zehnjährigen schwarz-grünen Queerpolitik nach fünf Jahren Schwarz-Rot noch übrig bleiben wird.

Bild: Greg Montani/Pixabay

Ein Großteil der Angebote, die es heute für Lesben, Schwule und Transgender gibt, ist im vergangenen Jahrzehnt als Ergebnis langwieriger Fleißarbeit der Communitys entstanden und mit einem großzügigen Fördertopf des Landes unterfüttert worden. So symbolisch, wie man das Gendersternchen in den öffentlichen Institutionen ausradiert, können auch einige rücksichtslose Striche mit dem Rotstift die mühsam aufgebauten Gefüge einebnen. Ob für LGBTIQ* nun magere Jahre kommen, bleibt abzuwarten.

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