ZWISCHEN DEN ZEILEN

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Steinreich ist der amerikanische Erfolgsautor Dan Brown mit seiner Romanreihe geworden, in der er einen ungelenken Symbol-Forscher, der in den Hollywood-Verfilmungen in Gestalt von Schauspieler Tom Hanks daherkommt, in einer rastlosen Jagd durch europäische Kulturmetropolen hasten lässt, um dort allerlei bisweilen ziemlich konstruierte Rätsel mit Hilfe seines tiefgründigen Geheimzeichen-Wissens zu lösen.

Verglichen mit der Zeit des Mittelalters und der Renaissance können heute deutlich mehr Menschen lesen, so dass Informationen gar nicht mehr mit Bildzeichen ausgedrückt werden müssten. Und auch Geheimnisse stehen in diesen Tagen nicht mehr auf der Altarunterseite südenglischer Landkapellen - sondern bei Wikileaks.

Aber trotzdem ist das Design der Zeit das App-Icon mit runden Ecken und die Sprache ist Emoji. Offenbar sind uns also Symbole heute noch genauso wichtig wie vor 20.000 Jahren, als Menschen ihren Handabdruck mit Ocker an den Höhlenwänden hinterließen.

Foto: Flickr Nutzer Borough Lights Imagery/CC BY-ND 2.0

Denn mit Zeichen und Symbolen können wir nicht nur schnell und unabhängig von Sprachgrenzen Bedeutungen transportieren, sie geben uns auch die Möglichkeit Zusammenhänge zu vermitteln, für die wir geschrieben oder gesprochen lange brauchen würden oder für die wir vielleicht überhaupt keine Worte haben.

Ein solches Symbol, das in sechs bunten Streifen ohne ein Wort die komplexen Vorstellungen von Vielfalt, Toleranz und Frieden (und noch einige mehr) ausdrücken und vereinbaren kann, ist die Regenbogenfahne der LGBT*-Bewegung, die mit Beginn der diesjährigen Pride-Saison wieder allerorten wehen wird und so bei allen Unterschieden unsere vielfältige Verbundenheit ausdrückt.

Mit eben dieser Absicht und Motivation ist es der Autorin dieser Zeilen mit einigen Getreuen bereits im letzten Jahr gelungen, in einer bei Tageslicht und Sonnenschein durchgeführten Nacht-und-Nebel-Aktion eine nicht ganz unerhebliche Fläche des öffentlichen Frankfurter Straßenraumes in den Farben der Pride-Bewegung anzulegen.

Jessica Purkhardt

Durch die vorherige Absprache mit der zuständigen Stelle war die polizeiliche Intervention damals kurz und wohlwollend ausgefallen. Gleichwohl bleibt regenbogenfarbige Bemalung von Verkehrsflächen eigentlich ein Ding der Unmöglichkeit. Der Amtsschimmel ist nämlich kein Einhorn und die Straßenverkehrsordnung sieht gestreifte Farbverläufe von Rot bis Blau schlichtweg nicht vor.

Deswegen sind zum Beispiel Regenbogen-Zebrastreifen, wie man sie aus anderen LGBT*-Vierteln in Europa und der Welt kennt hierzulande offenbar nicht möglich.

Dafür aber die sogenannten Ampelpärchen. Also gleichgeschlechtlich-händchenhaltende  Silhouetten auf Fußgängerampeln, die in den deutschen Großstädten an ausgewählten Orten zu den jeweiligen Pride-Wochenenden Signale der kommunalpolitischen Akzeptanz ihrer Lebensweise an die Queer-Community geben sollen.

Und weil diese Signale sich offenbar so gut anfühlen, wird nach dem CSD-Wochenende in Frankfurt jedes Jahr aufs Neue der Ruf laut, die Ampelpärchen doch auch unterjährig beizubehalten.

Ein Ruf, dem ich jedes Mal ein entschlossenes „Nein!“ entgegensetze. Denn wie eingangs erwähnt bedeuten Symbole etwas. Und händchenhaltende homosexuelle Paare auf Ampeln, also den offiziellen Leuchttürmen der deutschen Ver- und Gebotskultur, signalisieren der Mehrheitsgesellschaft eine Normalität, die in der Realität so leider nicht so selbstverständlich ist, wie es die leuchtenden Scherenschnitte glauben machen wollen.

Es ist schlichtweg nicht aufrichtig, vorzugeben, händchenhaltende Schwule blieben an diesen Orten auch außerhalb der Pride-Saison immer unbehelligt, wenn sie doch an Samstagabenden nur 30 Meter von diesen Ampeln entfernt wie gerade neulich erst  beschimpft und mit Flaschen beworfen werden.

Die Ampelpärchen sollen vielmehr jedes Jahr zu Beginn der CSD-Tage ausdrücken, was gesellschaftliche Normalität wäre. Und durch ihr Verschwinden für den Rest des Jahres durch Abwesenheit aufzeigen, dass es noch nicht so ist.   

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