Kolumne: Stolz worauf?

„Born this way“ singt Lady Gaga und vertont damit die Gewissheit, dass niemand nur deshalb schwul, lesbisch, transgender oder bi ist, um einem angesagten Lifestyle zu folgen, oder weil es solche Menschen im eigenen Umfeld gibt, die ihre sexuelle Orientierung auf einen abgefärbt haben. Homo zu sein, sucht man sich genauso wenig aus wie hetero. Man kann nichts dafür, es gibt nichts, wofür man sich schämen muss – aber deshalb umgekehrt auch nichts, worauf man stolz sein kann.

Schwuler Stolz?

Stolz heißt auf Englisch Pride, und diesem Wort wird man während des anstehenden Pride-Monats und der landesweiten Pride-Veranstaltungen nicht entkommen können. Dabei ist das Wort genauso aus der Zeit gefallen wie seine Geschwister Ruhm und Ehre. Alle drei Begriffe haben wohl in der Geschichte schon mehr Unheil angerichtet, als sie je genützt haben.

Bild: Gerd Altmann/Pixabay

Auf die eigene LGBTIQ*-Identität kann man genauso wenig stolz sein wie auf Nationalität, Schuhgröße oder Augenfarbe. Homosexualität und Transidentität sind keine Errungenschaften, sondern ein menschliches Merkmal unter vielen. Wenn man nichts dafür getan hat, kann man auch nicht stolz darauf sein.

Stolz statt Scham

Das gilt jedoch nur, wenn Lesbisch-, Bi-, Trans- oder Schwulsein immer nur den Stellenwert von Schuhgröße oder Augenfarbe gehabt hätten. Aber so war es nicht. Es ist nur zwei zeitgeschichtliche Wimpernschläge her, da wurden Homosexuelle im KZ umgebracht. Nur einen Wimpernschlag ist es her, da saß man dafür im Gefängnis, und wer die Augen aufmacht, wird sehen, dass auch in der Gegenwart ein Stadtspaziergang für LGBTIQ* immer öfter als Gewaltopfer in der Notaufnahme endet.

Die Menschen in unserem Land gelten als ängstlich, die German Angst ist in der englischsprachigen Welt ein geflügeltes Wort. Man fürchtet sich beispielsweise vor Stromausfall, Flüchtlingen, Klimawandel und Verbrenner-Aus oder vielem anderen mehr. Dabei ist der Anlass zur Sorge meist nicht ganz von der Hand zu weisen. In der Abwägung der richtigen Gefahren gehen unserer Gesellschaft und ihren Institutionen aber oft die Verhältnisse verloren. Eine Klimakleberin wurde unlängst in Berlin wegen wiederholten Festgeklebtseins im Straßenverkehr zu vier Monaten Haft verurteilt. Im gleichen Zeitraum verurteilte ein Frankfurter Gericht einen Gewalttäter, der in Frankfurt eine queere Person mitten auf der Konstablerwache blutig geschlagen hatte, zu achtzig Sozialstunden. Echter gesellschaftlicher Rückhalt und eine konsequente Absage an queerfeindliche Gewalt sieht anders aus. LGBTIQ* müssen auch heute in vielen Lebensbereichen mit Nachteilen rechnen. Wer diesen Widerständen zum Trotz zu sich steht und sich nicht verleugnet, leistet etwas, das keineswegs selbstverständlich ist. Und darauf darf man stolz sein.

Back to topbutton