ZWISCHEN DEN ZEILEN

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Sicher, das ganz große Rad wird immer in Berlin gedreht.

Wenn es denn mal gedreht wird. In Bezug auf Queerpolitik sprechen wir hier nämlich von lediglich einer Umdrehung pro Jahrzehnt.

Transsexuellengesetz 1980, Abschaffung des Paragraphen 175 im Jahr 1994, eingetragene Lebenspartnerschaft 2001, Ehe für Alle 2017.

Die Modernisierung der Regelungen zur geschlechtlichen Vielfalt überlässt man traditionell seit fast 40 Jahren gleich ganz dem Bundesverfassungsgericht.

Dieses hatte im vergangenen Jahr den Gesetzgeber beauftragt, bis Ende dieses Jahres die Möglichkeit eines dritten positiven Geschlechtseintrags zu schaffen.

Zuständig ist das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat. Und genau so liest sich der vorgelegte Gesetzesentwurf leider auch.

Viele kleine Räder für die Belange von LGBT*IQ drehen sich aber landauf, landab abseits der Hauptstadt-Bühne. Deshalb war im Vorfeld die Sorge groß, dass nach der Landtagswahl in Hessen Regierungskonstellationen die Geschäfte übernehmen könnten, die kein ausgewiesenes Interesse am queerpolitischen Drehmoment mehr haben. Auch dass mühsam aufgebaute und professionalisierte Unterstützungs- und Beratungsstrukturen kurzerhand wieder eingerissen werden könnten, wurde befürchtet.

Nun sieht es danach nicht aus, so dass wir vielmehr das bestehende Gerüst nutzen können, um Angebote dort zu gestalten, wo es noch nichts gibt, um die Szene und Community in Schwung zu halten.

Ein Feuerwerk an Farben

Und wo wir gerade schon im Reich der Physik sind, kann ich auch gleich den im wahrsten Wortsinne ausgezeichneten Beweis angtreten, dass die Behauptung einer dynamischen Community zutreffend ist.

Denn das Frankfurter Bündnis für Akzeptanz und Vielfalt, ein Zusammenschluss von Organisationen, Vereinen und Einzelpersonen, die sich für die Anliegen und Bedürfnisse lesbischer, schwuler, bi-, pan- und asexueller, trans*, inter* und queerer Menschen einsetzen, wurde mit dem Integrationspreis 2018 der Stadt Frankfurt ausgezeichnet.

Foto: flickr Nutzer Jun Seita / CC BY 2.0

"Sonnenlicht erscheint oberflächlich, auf den ersten Blick betrachtet gleichförmig und farblos," sagte Dimitrios Bakakis, Laudator für das Bündnis für Akzeptanz und Vielfalt bei der Preisverleihung.

Doch mit Hilfe eines Prismas lasse sich erkennen, dass es sich bei diesem Licht tatsächlich um ein Feuerwerk an Farben handele. "Ein Prisma kann uns helfen zu erkennen, wie bunt das vermeintlich Farblose doch ist, so kann es dieses Licht auch wieder zusammenführen und mit neuer Stärke strahlen lassen."

Bei dem jungen Bündnis für Akzeptanz und Vielfalt handele es sich deshalb gewissermaßen um ein doppeltes Prisma für Frankfurt. Eines, das Vielfalt deutlich macht und gleichzeitig zu neuer Kraft bündelt.

Ein ausgezeichnetes Bündnis

Entstanden war der Zusammenschluss vieler engagierter Menschen, die sonst recht wenig miteinander gemein haben, um den Internationalen Tag gegen Homo-, Bi- und Transphobie 2018 als möglichst breites Bündnis miteinander - und nicht etwa als Einzelorganisationen gegeneinander - gebührend zu begehen.

Doch als im Dezember vor einem Jahr bekannt wurde, dass die homophobe Vereinigung "Demo für alle" nach Frankfurt kommen wollte, war klar, dass es galt, noch schneller als Bündnis für Akzeptanz und Vielfalt zusammen zu finden um die emanzipatorischen Errungenschaften unserer offenen Gesellschaft lautstark zu verteidigen.

Das so entstandene Bündnis hat sich seither zum Ziel gesetzt einen Rahmen zu stellen, in dem die unterschiedlichen Organisationen und Aktiven sich kennenlernen, Gemeinsamkeiten entdecken und auch die Bedarfe der jeweils anderen sehen können.

Bild: Jessica Purkhardt

Mit vielen kleineren und größeren Aktionen bewegt es die Menschen zum Nachdenken und zum Refelektieren etwaiger Vorurteile; nicht zuletzt auch innerhalb unserer queeren Communities.

Und das zwischen allen Altersgruppen, Ethnien, Religionen und politischen Ausrichtungen. "Das ist Integration pur," sagte Laudator Dimitrios Bakakis bei der Integrationspreisverleihung.

Und ich finde: "Ein*e würdige*r Preisträger*in.

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