Kolumne von Felix Müller

FOTO: Christian Vorländer/SPD-Stadtratsfraktion München

Vor der Stadtratswahl reiht sich eine überraschende Personalie an die andere. Auch aus der queeren Community spielt mancher plötzlich eine andere Rolle. In seiner kommunalpolitischen Kolumne gibt AZ-Lokalchef Felix Müller diesen Monat einen Überblick.

Zehn Prozent! So hoch ist inzwischen der Anteil der Stadträte, die für eine andere Fraktion im Rathaus sitzen als in der, für die sie eigentlich 2014 gewählt wurden. Dazu kommen noch diejenigen, die in den Landtag gewählt wurden oder aus anderen Gründen aus dem Rathaus ausgeschieden sind. So richtig viel hat der Stadtrat also nicht mehr mit dem zu tun, was die Münchner sich 2014 gewünscht haben. Aber in ein paar Monaten, genauer: im März, gibt es ja die nächste Chance mitzuentscheiden.

Und die anstehende Kommunalwahl hat es durchaus in sich. Kommt der haushohe Favorit, Dieter Reiter, gegen seine ambitionierten Gegenkandidatinnen doch noch ins Straucheln? Werden die Grünen erstmals stärkste Kraft im Rathaus? Gibt es ein schwarz-grünes Bündnis? Und: Wie stark zieht die AfD in den Stadtrat ein? Das sind die großen Fragen vor dem März 2020. Jetzt, nach der Wiesn, beginnt so langsam der Wahlkampf. Und er hat schon jetzt viele interessante Konstellationen zu bieten.

Die vielleicht spektakulärste: SPD-Fraktionschef Alexander Reissl ist zur CSU übergelaufen! Reissl, der den jüngeren, linkeren, liberaleren Sozen schon lange ein Dorn im Auge war, hatte von der CSU ein Angebot bekommen, im nächsten Jahr einen guten Listenplatz für die Wahl zu erhalten. Seine Konsequenz: der sofortige Abgang! Bei der SPD versuchte man fix, das Ganze als die Chance zu einem Aufbruch und Neuanfang umzudeuten. Und wählte einen neuen Vorstand, zu dem als Stellvertreter mit Christian Vorländer auch ein Mann aus der Community gehört. Das er noch einmal an Einfluss gewinnt, ist durchaus überraschend. Vorländer schien eigentlich am Ende seiner Karriereleiter angekommen zu sein. Doch der Mann der als TV-Anwalt ein bundesweit bekanntes Gesicht geworden ist, hat sich in den letzten Jahren fleißig und durch viele öffentliche Auftritte auch zu einem Gesicht der Münchner SPD gemacht. An der Spitze der Fraktion, übrigens das erste Mal in der Geschichte der SPD-Stadtratsfraktion, eine Frau – als Teil einer Doppelspitze. Verena Dietl hat gemeinsam mit Christian Müller das schwere Amt übernommen.

Unterdessen sortiert sich auch die Linkspartei neu. Dass sie mit Thomas Lechner einen OB-Kandidaten aus der Community präsentiert hat, der einst für die Rosa Liste in den Ring gestiegen war, hat LEO ja bereits berichtet. Nun folgt mit der langjährigen CSD-Sprecherin und Rosa-Liste-Politikerin Rita Braaz ein zweites Szene-Gesicht nach. „Ich bin von Lechner überzeugt“, sagte sie zur AZ kurz nach ihrem Wechsel, „zudem schlägt mein Herz eigentlich schon immer links."

Bleibt die Frage, was das für die Rosa Liste bedeutet. Stadtrat Thomas Niederbühl bleibt zumindest öffentlich demonstrativ cool. Man werde wieder eine gute Liste aufstellen, habe natürlich weiter eine Daseinsberechtigung, sagte er. Für die OB-Wahl hatte sich die Rosa Liste ohnehin schon vor dem Braaz-Knatsch positioniert: Man stellt keinen eigenen Kandidaten auf, unterstützt nicht Thomas Lechner und nicht Dieter Reiter. Sondern: die Grünen-Frau Katrin Habenschaden.

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