Mahnmal und Masspreis

In seiner kommunalpolitischen Kolumne schreibt Abendzeitung-Lokalchef Felix Müller diesen Monat über den langen Kampf für ein Gedanken an die schwulen NS-Opfer - und die große Preisdiskussion im Rathaus.

Wer hat in der Schule die Lebensgeschichten schwuler NS-Verfolgter gelernt? Ich nicht. Und das ist kein Zufall: In Deutschland tat man sich sehr lange sehr schwer mit dem Gedenken an die homosexuellen Verfolgten und Ermordeten. Jetzt gibt es endlich auch in München ein eigenes Denkmal.

Selbst in der KZ-Gedenkstätte in Dachau erinnerte jahrzehntelang nichts an die ehemaligen schwulen KZ-Häftlinge. Andere Opfergruppen taten sich ebenso schwer wie die deutsche Mehrheitsgesellschaft, das Leid der schwulen Männer anzuerkennen. In Münchner Schwulengruppen war das schon in den frühen 80er-Jahren Thema. 1985 wurde für einen „eigenen“ Gedenkstein gesammelt, der dann aber nicht auf der KZ-Gedenkstätte aufgestellt werden durfte. Auf dem Gelände der Versöhnungskirche fand man Asyl. Noch viel später durfte er in den Gedenkraum.

In München selbst wird erst dieser Tage ein eigenes Denkmal eingeweiht. An der Dultstraße/Ecke Oberanger, am historischen Ort des einstigen Schwulenlokals "Schwarzfischer", erinnert jetzt das farbiges Bodenmosaik in Form eines Winkels an die Verfolgung und Ermordung von Schwulen und Lesben im Nationalsozialismus. Das Denkmal hat Ulla von Brandenburg entworfen.

Für Rosa-Liste-Stadtrat Thomas Niederbühl ist es das erfolgreiche Ende eines viele Jahre währenden Kampfes. Er klingt immer noch ratlos, wenn er von der Diskussion um neue Erinnerungsformen vor 15 Jahren erzählt. „Neu?“, habe er damals immer wieder gefragt, sagt Niederbühl. „Für uns Schwule gab es doch noch überhaupt nichts.“ 2008 stellte er im Rathaus den Antrag, ein Denkmal errichten zu lassen – und bekam eine Mehrheit. „Es soll ein Gedenk- und Erinnerungsort sein an die Verfolgten und die zerstörte Infrastruktur sein“, sagt Niederbühl, „aber auch ein Mahnmal für die Zukunft, dass wir einstehen müssen für die Toleranz“.Dass das Erreichte nicht selbstverständlich ist, sieht die Szene immer wieder beim Blick in die Welt. Aber auch in der Stadt gab es nach dem jüngsten Übergriff auf Gregor in der Müllerastraße wieder eine Diskussion um die Sicherheit für die Szene in der Stadt. An den Demos gegen homophobe Gewalt nahmen auch Politiker teil. Ein großes Thema im Rathaus aber ist es in den vergangenen Wochen nicht geworden.Dort beschäftigt man sich derzeit mit anderen Fragen. Der Vorschlag von CSU-Bürgermeister Josef Schmid, einen Bierpreisdeckel von 10,70 Euro pro Maß auf der Wiesn einzuführen, schlug monatelang hohe Wellen (und fand am Ende keine Stadtrats-Mehrheit). Eine Debatte, die für die Provinzialität der Stadt steht? So sahen es viele, auch bundesweit. Man kann es auch anders sehen: Dass es in Wahrheit um viel mehr geht als ein paar Cent beim Bier. Dass die Politik gemerkt hat: Es kann so nicht weitergehen. Dass endlich diskutiert wird darüber, was das Rathaus gegen hohe Preise in der Stadt tun kann.Gegen die krasse Preisentwicklung am Wohnungsmarkt ist man am Ende ja offensichtlich machtlos. Warum also nicht Preise deckeln, wo es geht (oder besser noch: viele kostenlose Angebote machen?). In diesem Sinne versucht Josef Schmid, auch die Nicht-Biertrinker auf seine Seite zu ziehen, plädiert inzwischen auch für Nullrunden beim MVV. Die SPD zog nach, fordert kostenlose Kindertagesstätten. Maßnahmen also, mit denen man sehr viele Menschen entlasten könnte. Preisdebatten auf allen Ebenen könnten die nächsten Jahre prägen und dürften zum Wahlkampf 2019/20 nochmal an Schwung aufnehmen. Den Münchnern soll es recht sein, wenn die Politik sich da einen Ideenwettbewerb liefert. Schließlich wird es in der angeblich so reichen Stadt für immer mehr Leute mittlerweile ganz schön eng.

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