Nach UN-Schelte: Genitalverstümmelung an Intersexuellen wird verboten, homophobe Diskriminierung erlaubt?

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Am 22. Januar wurde Österreich im Rahmen der 37. Sitzung der Universal Periodic Review der Vereinten Nationen einer Prüfung der Menschenrechtssituation unterzogen. Nun gibt es erste Reaktionen: Während die österreichische Bundesregierung eine Ausweitung des Antidiskriminierungsschutzes auf alle sexuelle Minderheiten weiterhin ablehnt, könnte sich die Situation für intergeschlechtliche Kinder und Jugendliche schon bald verbessern.

Universal Periodic Reviews (UPR) finden für jeden der 193 UN-Mitgliedsstaaten routinemäßig alle vier bis fünf Jahre statt. Bei diesem Prüfverfahren bewertet jedes Mitglied des UN-Menschenrechtsrats die Menschenrechtsbilanz der anderen Mitgliedsstaaten und spricht Empfehlungen aus. Am 22. Januar wurde Österreich geprüft.

Wichtiger Schritt für die inter* Community 

Die österreichische Regierung hat vier Empfehlungen – aus Argentinien, Island, Malta und Uruguay – zum Beenden nicht-konsensueller und medizinisch nicht notwendiger Behandlungen an intergeschlechtlichen Kindern und Jugendlichen angenommen.

Obwohl IGM-Behandlungen (Intersex Genital Mutilation), also die Angleichung der Geschlechtsmerkmale an eine binäre Norm, mittlerweile als Menschenrechtsverletzung eingestuft werden, finden in Österreich bis heute geschlechtsangleichende Operationen statt. Die österreichische Bundesregierung hat nun angekündigt, medizinisch nicht notwendige oder nicht einvernehmliche Behandlungen an intersexuellen Kindern und Jugendlichen zu verbieten.

Foto: C. Suthorn / CC BY-SA 4.0, wikimedia.org

Tobias Humer vom Verein Intergeschlechtlicher Menschen Österreich (VIMÖ) zeigte sich erfreut über die Annahme der Empfehlung: „Dass nicht-konsensuelle und nicht-notwendige medizinische Behandlungen nun verboten werden sollen, ist sehr erfreulich“. Humer betonte aber, man werde „sehr genau hinsehen müssen, was hier tatsächlich umgesetzt wird“.

Auch Gabriele Rothuber, Intersex-Beauftragte der HOSI Salzburg, sieht in der Entscheidung einen Erfolg:

„Wir freuen uns, dass es in Österreich in Zukunft nicht mehr die Entscheidung der Medizin oder Eltern sein darf, medizinisch nicht notwendige Genitalveränderungen an intergeschlechtlichen Kindern und Jugendlichen durchzuführen.“

Abgelehnt wurde hingegen die Empfehlung, einen selbstbestimmten, barrierefreien Zugang zu alternativen Geschlechtseinträgen für alle Menschen mit nicht-binärer Geschlechtsidentität zu schaffen.

Für Luan Pertl von der Plattform Intersex des VIMÖ verdeutlicht die Ablehnung zum selbstbestimmten Geschlechtseintrag, dass

„es noch an grundlegendem Verständnis mangelt – und der Weg zur rechtlichen Anerkennung von intergeschlechtlichen und nicht-binären Menschen gerade erst begonnen hat“. 

Keine Ausweitung des Antidiskriminierungsschutzes

Andere Empfehlungen der Vereinten Nationen zur Wahrung der Menschenrechte von Queers hat Österreich leider nicht angenommen. So wurde die bereits mehrfach empfohlene und dringend notwendige Angleichung und Ausweitung der nationalen und regionalen Antidiskriminierungsregelungen („Levelling Up“) abgelehnt, Schutz vor Diskriminierung besteht also auch zukünftig nur am Arbeitsplatz.

Österreich bleibt damit eines der letzten EU-Länder, in dem man aufgrund der sexuellen Orientierung bei der Wohnungssuche benachteiligt werden darf, in dem einem homosexuellen Paar die Vermietung eines Doppelzimmers in einem Hotel, der Zutritt zu Freizeiteinrichtungen oder die Inanspruchnahme von Dienstleistungen verweigert werden kann, ohne mit Sanktionen rechnen zu müssen, und in dem man immer noch aus einer Bar rausgeworfen werden darf, weil man queer ist.

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