Sarajevo Pride unter Gegenprotest

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Zum zweiten Mal veranstaltet Bosnien Herzegowina eine Pride-Parade. Begleitet von „Anti-LGBTIQ“-Protesten findet die diesjährige Pride Parade am 14. August in Sarajevo statt. Da der Staat erstmals die Kosten der Sicherheitsmaßnahmen übernimmt, hofft die LGBTIQ*-Community auf ausreichenden Schutz der Behörden.

Nachdem die Pride-Parade im vergangenen Jahr wegen der Covid-19-Pandemie abgesagt werden musste (wir berichteten), will die queere Community Bosnien Herzegowinas morgen wieder auf die Straße gehen und unter dem Motto „Widerstand vom Rand“ für ihre Rechte demonstrieren. Denn Queers in Bosnien Herzegowina sind immer noch mit Homophobie, Biphobie, Transphobie und Interphobie konfrontiert, wenn sie öffentliche Einrichtungen, Cafés, Restaurants, Theater, Kinos oder andere öffentliche Orte besuchen. Auch institutionelle Diskriminierung gibt es immer noch, allen voran die fehlende rechtliche Anerkennung durch ein Gesetz zur Regelung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften.

Vjera Narod Drzava (Glaubensvolksstaat), eine kürzlich gegründete politische Gruppe mit muslimischen Hintergrund, hat angekündigt, während der Sarajevo-Pride-Parade am Samstag einen „Anti-LGBTIQ“-Protest zu veranstalten. Organisiert wird der Gegenprotest von Sanin Musa, einem ehemaligen salafistischen Lehrer und Gründer des Vjera Narod Drzava. Musa führte auch schon die Proteste gegen die erste Pride-Parade in Sarajevo 2019 an. Gegenüber Balkan Insight sagte Musa: „Dies ist eine Reaktion auf das, was wir so sehen, dass Dinge auf die Straße gebracht werden, die wir nicht für normal oder akzeptabel halten. Wir haben das demokratische Recht, unsere Stimme dagegen zu erheben und unsere Gegenposition zum Ausdruck zu bringen.“

„Die Bibel und der Koran verurteilen Homosexualität!“, hieß es am Montag in einem Facebook-Post. Deshalb seien Muslime und Christen dazu aufgerufen, sich dem „Stolz- und Ehrenprotest“ „gegen diese Plage anzuschließen“.

Die Polizeibehörde des Innenministeriums des Kantons Sarajevo bestätigte, beiden Veranstaltungen eine Genehmigung erteilt zu haben. Um die Sicherheit zu gewährleisten, werden die Beamten aber „geplante Maßnahmen und Aktivitäten ergreifen“.

Eine dieser Maßnahme sieht vor, dass sich die Routen der beiden Demonstrationszüge nicht überschneiden. „Wir haben zuerst beantragt, eine Parade abzuhalten, und gemäß dem Gesetz haben wir Vorrang, daher wurde ihnen ein Ort zugewiesen, der nicht in der Nähe der Route der bosnischen Pride-Parade liegt“, sagte Lejla Huremovic, Mitglied des Organisationsausschusses der bosnischen Pride-Parade, gegenüber Balkan Insight. Jeder habe das Recht zu protestieren, fügte Huremovic hinzu, wenn er das Gesetz respektiere.

„Das Wichtigste für uns ist, dass jede Versammlung, die eine Botschaft senden möchte, keine Hassreden verbreiten oder zu Gewalt aufrufen darf.“

Kleiner Sieg für Community

Zumindest haben die Regierung des Kantons Sarajevo, die Stadtgemeinde Centar und die Stadt Sarajevo angekündigt, für die notwendigen Sicherheitsmaßnahmen der diesjährigen bosnischen Pride-Parade aufzukommen. 25.000 bosnische Mark (rund 12.500 Euro) werden zur Deckung der Sicherheitskosten der Veranstaltung bereitgestellt, hieß es seitens des Premierministers des Kantons Sarajevo Edin Forto, um sicherzustellen, dass die „Menschenrechte eines Teils der Bevölkerung“ gewahrt werden. „Hier geht es um das Recht auf Versammlungsfreiheit“, sagte Forto.

Für die Veranstalter*innen der Sarajewo Pride Parade kommt das einem kleinen Sieg gleich: „Wir haben mehrere sehr wichtige Siege errungen, was die Haltung der Institutionen in BIH gegenüber öffentlichen Versammlungen, insbesondere LGBTIQ, angeht“, erklärten sie gegenüber FairPlanet.

Als vor zwei Jahren die allererste bosnische Pride-Paradestattfand, verlangten die Behörden von den Organisator*innen, alle zusätzliche Sicherheitskosten selbst zu bezahlen (wir berichteten). Die Kosten beinhalteten eine Krankenversicherung für die Teilnehmenden und eine Krankenversicherung für die privaten Wachleute sowie Kosten für Betonblöcke und Metallzäune. Um die Parade überhaupt finanzieren zu können, war die Community auf internationale Spenden angewiesen.

Foto: twitter.com/TerryReintke

Seitdem hat das Orga-Team hart dafür gekämpft, dass der Staat für die Kosten ihrer Sicherheit aufkommt. Der Staat sei verpflichtet, seine Bürger bei öffentlichen Versammlungen umfassend zu schützen, auch wenn sie gegen die Behörden protestieren. Außerdem sei keine andere öffentliche Versammlung je dazu gezwungen worden, die Sicherheitskosten selbst zu bezahlen. So ist die Freude groß, 

„[dass die zuständigen Institutionen die vollständige Sicherheit der Pride-Parade gewährleisten und die Kosten für zusätzliche Sicherheitsmaßnahmen übernehmen“.

Angesichts der angekündigten Gegenproteste ist aber auch die Sorge gestiegen, ob die staatlichen Sicherheitsvorkehrungen ausreichenden Schutz gewähren. Wir halten euch auf dem Laufenden. 

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