Sarajevo: Imam ätzt gegen CSD – oberster Rechtsgelehrter widerspricht

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In Bosnien und Herzegowina gibt es in diesem Jahr keinen CSD – für einen Imam aus Sarajewo bedeutet das „ein Körnchen Glück“ in Zeiten von Corona. Nach einer Protestwelle distanzierte sich der Großmufti von Bosnien und Herzegowina nun öffentlich von den kontroversen Äußerungen des Imams.

Im vergangenen Jahr fand in Bosnien und Herzegowina das überhaupt erste Gay-Pride-Event des Landes statt – unter strengen Sicherheitsvorkehrungen und begleitet von Gegenprotesten konservativer islamischer und christlicher Gruppen zog die queere Community im vergangenen September zur Feier des Christopher Street Days durch die bosnische Hauptstadt Sarajewo (wir berichteten).

Foto: Smooth O / CC BY-SA 4.0 / wikimedia

Dass der am 23. August geplante diesjährige Pride wegen der COVID-19-Pandemie abgesagt werden musste, betrübte viele. Nicht so Muhamed Velić, einen der bekanntesten und lautesten Vertreter der islamischen Gemeinschaft in Bosnien und Herzegowina. Der in Sarajevo lebende Imam zeigte sich über die Absage der Pride hoch erfreut. Auf seinem Facebook-Profil mit über 73.000 Followern postete er am 6. August:

„Die Medien teilen uns mit, dass die homosexuelle Parade in Sarajevo aufgrund des Coronavirus verschoben wurde. In jedem Unglück und jeder Tragödie liegt auch ein Körnchen Glück, Güte und Schönheit. Danke Allah für alles. Möge der liebe Allah dafür sorgen, dass Corona und die Schwulenparade niemals in unsere Stadt und unser Land zurückkehren! Amen“

Der Beitrag löste eine Welle an Kommentaren in den sozialen Medien aus. Tausende unterstützten die Haltung Velićʼ. „Wir brauchen diese Paraden nicht, sie sollten ihre Schande verbergen, nicht öffentlich stolz darauf sein und die normalen Menschen stören“, schrieb zum Beispiel eine Userin aus Bosnien auf Facebook. Aber auch diejenigen, die sich der traditionell homophoben Gesellschaft widersetzen, haben ihre Stimme erhoben. Auf Twitter schrieb der Anwalt und ehemalige Journalist Senad Pećanin:

„Welcher faschistische Müll lebt in Sarajevo und repräsentiert immer noch die islamische Gemeinschaft von Bosnien und Herzegowina!“

Branko Ćulibrk, einer der Organisatoren des Pride, sagte, es sei schrecklich, dass „Effendi Velic die aktuelle Situation mit dem Coronavirus und die Absage des Pride auf eine Ebene stellt“. Gegenüber Fair Planet erklärte er, im vergangenen Jahr habe der Interreligiöse Rat von Bosnien und Herzegowina zu Frieden, Toleranz und Gewaltlosigkeit aufgerufen.

Foto: Palapa / CC BY-SA 4.0 / wikimedia

Er hofft, 

„dass sie sich diesmal auch an die Öffentlichkeit wenden, sich von den Aussagen von Velić distanzieren und den Unterschied zwischen dem Kampf für grundlegende Menschenrechte und der durch Pandemien verursachten Situation verdeutlichen“. 

Offensichtlich wurde er gehört

Kurze Zeit später distanzierte sich der Großmufti von Bosnien und Herzegowina, Husein Kavazović, öffentlich von den Äußerungen Velićʼ. Über sein Büro ließ er mitteilen, die Äußerungen des Imams würden nicht die Position der islamischen Gemeinschaft in Bosnien widerspiegeln. „Dies ist seine persönliche Position und nicht die Position der gesamten islamischen Gemeinschaft“, erklärte ein Berater des Großmufti gegenüber Radio Free Europe.

Husein Kavazović ist seit 2012 der geistliche Führer der islamischen Gemeinde in Bosnien und hatte sich in seiner Bewerbung für das Amt unter anderem für interreligiösen Dialog und eine breitere Eingliederung von Frauen in die Arbeit der islamischen Religionsgemeinschaft ausgesprochen. 

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