Russland: Queere Kultureinrichtungen im Fokus von Nationalisten

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Foto: A. Zhiryakov

Gezielte Störaktionen queerer Veranstaltungen, die relativ offensichtlich als ganz besondere Form des Wahlkampfes orthodoxer und ultra-konservativer Kreise konzertiert geplant werden, versetzen Lesben, Schwule und Co. in Angst und Schrecken.

Am Abend des 28. August drangen zwölf Aktivisten der extremistischen SERB-Bewegung (South East Radical Block) * in das Moskauer Dokumentationstheater Teatr.doc ein und störten eine Aufführung der schwulen Dokumentarfilm-Performance „Coming Out of the Closet“. Das berichtet die unabhängige The New MoscowTimes.

Foto: teatrdoc.ru

Die Aktivisten, von denen mindestens einer ein orange-schwarz-gestreiftes Band trug, das in Russland als St.-Georgs-Band bekannt ist und den „Großen Sieg“ der Sowjetunion im Zweiten Weltkrieg symbolisiert, hielten ein schwulenfeindliches Plakat in der Hand und beleidigten das Publikum. SERB-Anführer Igor Beketov, auch unter dem Namen Gosha Tarasevich bekannt, behauptete, es seien minderjährige Zuschauer im Publikum gewesen. Die extremistische Organisation übernahm bereits die Verantwortung für diese Störaktion.

In Russland ist sogenannte „homosexuelle Propaganda gegenüber Minderjährigen“ seit 2013 verboten. Um sicherzustellen, dass niemand unter 18 Jahren die Aufführung sieht, überprüfen die Mitarbeiter*innen des Theaters deshalb vor jeder Aufführung die Personalien aller Zuschauer. Der Mann, der sich später als minderjährig herausstellte, händigte den Theaterangestellten die Kopie eines Passes aus, aus dem hervorging, dass er im Jahr 2000 geboren wurde. Derselbe junge Mann verließ die Vorstellung kurz nach Beginn und kehrte später mit den Extremisten in das Theater zurück.

Zermürbungstaktik – Polizei greift nicht ein

Von den Aktivisten wurde niemand festgenommen, die Polizei nahm auch keine Personalien von den Teilnehmern der Störaktion auf. Außerdem wurden die Aktivisten von der Polizei nicht davon abgehalten, das Publikum weiter zu belästigen.

In einem Interview mit Meduza erklärte die Regisseurin deshalb, dass sie und ihre Mitarbeiter*innen davon ausgehen, dass der ganze Vorfall fingiert gewesen sei. Er war auch kein Einzelfall: In den letzten Wochen wurden die Theatermacher*innen zwei weitere Male bei der Polizei denunziert. Beide Male wurden sie beschuldigt, den Homosexuellenparagrafen zu brechen.

Angesichts der bevorstehenden Wahlen in einigen Regionen Russlands am 8. September sind die jüngsten homophoben Angriffe auf das Theater als gezielte Aktion gegen die LGBTIQ*-Kulturszene Russlands einzustufen, wie die Regisseurin im Interview erklärte.


*SERB (auch bekannt als South East Radical Block) ist eine dem Kreml nahestehende ukrainische Extremistengruppe, die maßgeblich zur Annexion der Krim und zur Anstiftung zum Krieg beitrug. In der Ukraine steht die Organisation auf der Fahndungsliste, weshalb viele SERB-Aktivisten mit ihrem Führer Igor Beketov, auch als Gosha Tarasevich bekannt, nach Russland flohen. Seit dem Winter 2014/2015 ist SERB verstärkt in Russland aktiv und führt systematische Angriffe gegen die russische Opposition und Bürgerrechtsaktivisten durch. Unterstützt wird die Gruppe von russischen Beamten und Strafverfolgungsbehörden.

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