Vielfaltsaufklärung ist abartig? Für Offenen Kanal kein Problem

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Der TV-Moderator Hans R. Portner hat in seiner Sendung „Portners Presseshow“ das Vermitteln der Akzeptanz sexueller Vielfalt als „abartig“ bezeichnet. Jetzt spricht er auch noch vom Missbrauch von Kleinkindern. Die Leitung des OK findet das wohl ok.

Der TV-Moderator Hans R. Portner hat sich in einem Kommentar zu der Kritik (blu berichtete) an seiner Sendung „Portners Presseshow“ im Offenen Kanal Kassel zu Wort gemeldet. Portner hatte das Vermitteln der Anerkennung von Schwulen, Lesben, Bi-, Trans- und Intersexuellen als gleichwertige Menschen an Schulen ab einem Alter von 6 Jahren als „abartig“ bezeichnet. Gast in seiner Sendung war der katholische Aktivist Mathias von Gersdorff, der mit seiner Aktion „Kinder in Gefahr“ auch an der sog. „Demo für Alle“ beteiligt ist.

Wer gedacht hätte, Portner wäre diese Äußerung womöglich nur rausgerutscht und sie täte ihm zumindest im Nachhinein leid, wird enttäuscht: Statt sich für seine menschenverachtende Aussage zu entschuldigen, greift der Moderator in seiner Reaktion erst richtig in den Schmutzkübel und macht die Sache damit noch schlimmer.

Genderpopulisten missbrauchen Kleinkinder mit ideologischen Hirngespinsten

In seiner Antwort, die in einem Kommentar unter dem vorangegangenen Artikel zu finden ist (Quelle), heißt es etwa:

„Am allerwenigsten fühle ich mich irgendwelchen Genderpopulisten verpflichtet, die eine Luxusdiskussion führen“ (s. dazu auch: Homophobie ist kein Luxusproblem).

Und Portner geht noch weiter: Das Anhalten zur Akzeptanz von LGBTI als gleichwertige Menschen bezeichnet er als „ideologische Hirngespinste“, mit denen Kleinkinder missbraucht würden.

Portner stellt das Sprechen über die Existenz von Lesben, Schwulen, Bi-, Trans- und Intersexuellen (LGBTI) und die Darstellung ihrer Gleichwertigkeit also als Missbrauch dar. Damit bringt er nicht nur LGBTI mit ihrem Anliegen, nicht diskriminiert zu werden, in Verruf, sondern auch diejenigen, die diesen Unterricht durchführen. Beides dürfte den Rahmen der Meinungsfreiheit überschreiten. Über die Macht seiner Worte muss sich ein TV-Moderator schließlich ganz besonders bewusst sein, auch dann, wenn er, wie er betont, „ohne kommerziellen Hintergrund“ arbeitet.

Zur Erinnerung: Bei einer Umfrage der EU-Grundrechteagentur gaben 90 % der Befragten an, dass sie sich an schikanöses Verhalten gegenüber (mutmaßlichen) LGBTI an Schulen in Deutschland erinnern (Quelle). Als „Luxusdiskussion“ zu verunglimpfen, was für die betroffenen Schüler*Innen existenziell ist – weil es auch zu einer sieben Mal höheren Suizidrate beiträgt –, zeigt die ganze Ignoranz und Menschenverachtung, die der Moderator hier an den Tag legt – und wie wenig er sich in der Rolle des neutralen Moderators, sondern wohl mehr in der des Propagandisten für (s)eine Sache sieht, die Sendung aber wie ein Interview aussehen lässt.

Kultusminister Lorz: inkompetent

Foto: HKM / Majit Jari

Diejenigen, die hinter dem Thema stehen – inklusive dem hessischen Kultusminister –, diskreditiert Portner ebenso ungeniert, indem er ihnen die Kompetenz abspricht: „Selbsternannten Gutmenschen“, denen „psychologisches und pädagogisches Fachwissen“ als auch Empathie für Kinderseelen fehle, ginge es nur darum, „ihre Ansichten als die einzig wahren zu postulieren“. Das sind Formulierungen, wie sie sonst im rechten bis rechtsextremen Spektrum zu finden sind. Woher Portner, der mit derart unqualifizierten Aussagen um sich wirft, seine geballte Kompetenz haben will, lässt er offen.

Frontalangriff gegen die Demokratie und Selbstinszenierung als ihr Retter

Schließlich spricht Portner gar noch von einer „undemokratischen Zwangslösung“. Er erweckt also dreist den Eindruck, als würden die involvierten Politiker nicht demokratisch legitimiert bzw. nach demokratischen Grundsätzen ihrer Arbeit nachgehen. Das ist auch eine Masche vieler Rechtspopulisten, dass sich um den Staat „gesorgt“, dieser in Wahrheit aber angegriffen und versucht wird, das Vertrauen in den Staat zu untergraben.

Wenn Portner zudem die Auffassung vertritt, dass man zu den Grundrechten bestimmter Menschengruppen unterschiedliche Ansichten haben könne, dann zeugt auch das nicht von Kompetenz, sondern stellt letztlich ebenfalls einen Angriff gegen demokratische Grundsätze dar, denn: In einem demokratischen Rechtsstaat besteht ein Konsens darüber, dass alle Menschen als gleichwertig und gleichberechtigt gelten, die gleiche Würde haben und niemand diskriminiert werden darf. - Das ist das eigentliche Thema in dem Unterricht!

Wer glaubt, dass ein kleines Grüppchen, wenn es nur laut genug schreit und genug Wirbel verursacht, die Umsetzung seiner noch so abwegigen Vorstellungen erzwingen können muss, will von einer Demokratie erst recht nichts wissen.

Portner kennt nur zwei „biologisch vorgegebene“ Geschlechter

Für Portner scheint jedoch mehr von Bedeutung zu sein, wie er die Welt sieht und wie er mit ihr klarkommt, statt zumindest zu versuchen, sich anlässlich seiner Sendung mit den Anliegen der betreffenden Personen zu beschäftigen und sich in sie hineinzuversetzen. „Ohne jegliches Genderwissen“ und ohne, dass ihm jemand „eine sinnlose populistische Idee (..) einposaunt“ hätte, sei er bis jetzt mit LGBTI bestens klargekommen. Niemals hätte er „diese Menschen“ anders als „jeden sogenannten biologisch vorgegebenen Menschen in der klassischen Rolle Mann und Frau“ gesehen. Das mag löblich erscheinen, von Empathie zeugt das jedoch nicht. Dass die Natur beim Thema Geschlecht alles andere als nur schwarz-weiß malt (Quelle), will er also erst gar nicht wahrhaben. Ist ja auch einfacher, wenn man sich jeglicher Differenzierung verweigert – und damit der Anerkennung von Menschen wie sie sind.

Und auch in seinem Schreiben bleibt Portner dabei: Das Sprechen über LGBTI hält er erst ab einem Alter von 12 - 14 Jahren für altersangemessen und bestenfalls nur dann, wenn es konkret zu Diskriminierung käme – was ja auch erst einmal deren Anerkennung voraussetzen würde. Und dann sei das ja auch eher Sache der Eltern. Dass für Kinder die Schule möglicherweise der einzige Ort ist, an dem sie zu dem Thema neutrale Informationen und Hilfe bekommen (Quelle), will Portner offensichtlich nicht sehen – oder es bewusst nicht haben.

Dass viele Trans-Menschen bereits ab einem Alter von 4 Jahren realisieren, dass sie sich im Körper des anderen Geschlechts fühlen, dass Intersexuelle von klein an wissen, was mit ihnen los ist und sie aufgrund von Unkenntnis permanent um Anerkennung ringen müssen, dass es Kinder mit 2 Mamas oder 2 Papas gibt, die an den gleichen Kitas und Grundschulen sind oder auf der Straße gesehen werden, dass es in der Grundschule und davor abfällige Äußerungen gegenüber LGBTI gibt und Begriffe wie „schwul“ und „homo“ meist von klein an negativ besetzt sind, dass das Zwängen in binäre Rollenmuster Homophobie befördert (Quelle), dass 80 % der LGBTI an Schulen unter Schikanen leiden, davon will der vermeintlich empathische Portner offensichtlich nichts wissen und auch nichts daran ändern.

Sender beruft sich auf die Meinungsfreiheit

Wir haben auch beim Offenen Kanal Kassel angefragt, wie man dazu steht, wenn ein Moderator das Sprechen über LGBTI als „abartig“ bezeichnet.

Der Leiter des Senders, Armin Ruda, der als Gastdozent an der Uni Kassel auch Seminare zum Thema Videojournalismus gibt, hat damit kein Problem. Bei der Sendung handle es sich um „keine Tatsachenbehauptung“, sondern um eine „Aneinanderreihung von Meinungsäußerungen des Sendungsgastes“.

„Eine Verächtlichmachung sexueller Neigungen [sic!]oder transsexueller Lebensweise die einen Verstoß gegen die Programmgrundsätze bedeuten würde“ sei „nicht gegeben“.

Was wir kritisiert hatten, waren jedoch nicht die Äußerungen des Gastes, die alleine schon starker Tobak waren, sondern die vernichtende Reaktion eines offensichtlich wenig von diesen „Meinungen“ distanzierten Moderators. Den sieht Ruda in der Eigenverantwortung. Eigene grundlegenden Standards für das Programm, etwa bezüglich der Achtung der Menschenwürde, scheint es nicht zu geben. Auch wolle man die Inhalte vor Ausstrahlung nicht sichten, da es sich dabei um verbotene Zensur handle. Aha.

Was, wenn die gleichen Aussagen etwa über Farbige oder Juden getroffen worden wären, wohl als Volksverhetzung empfunden worden wäre, darf bei LGBTI also weiter zur freien Meinungsäußerung gehören. Wie der Sender sich bei gruppenbezogen menschenfeindlichen Aussagen gegen andere Menschengruppen verhalten hätte, hat er nicht beantwortet.

Bewusstsein für gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit schärfen

Hier wird einmal mehr deutlich, wie sehr gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit – wie Homo- und Transphobie – nach wie vor im Denken und Handeln vieler Menschen völlig selbstverständlich vorkommt, wie blind viele noch immer auf diesem Auge sind und wie schwer es damit ist, dafür ein Bewusstsein zu schaffen. Veränderung und Umdenken hängt also oftmals noch immer vom Wohlwollen von Einzelpersonen in Schlüsselpositionen ab – oder von deren Willkür. Es darf nicht sein, dass man als der Diskriminierende glaubt, darüber befinden zu können, was man bereit ist, überhaupt als Diskriminierung anzuerkennen! Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit ist immer gleich schlimm, egal, ob diese gegen Menschen einer anderen Religion, Hautfarbe, Herkunft oder sexuellen Identität gerichtet ist.

Hier sind offensichtlich weitere Verbesserungen beim Schutz vor Diskriminierung erforderlich. Selbstverständlich gehört dazu auch die Aufklärung darüber, was Diskriminierung ist und was diese für die Betroffenen bedeutet, auch im Schulunterricht und das von klein an.

„Worte sind wichtig.“, sagte der Hauptdarsteller der Serie „Prison Break“, Wentworth Miller, Ende vergangenen Jahres über eine homophobe Äußerung ihm gegenüber. Aus Angst vor negativen Konsequenzen hatte er selbst lange mit seinem Outing gewartet. Medien tragen hier als Vorbilder und Multiplikatoren eine ganz besondere Verantwortung. Deshalb bleiben wir an der Sache auch dran und werden auch noch die Landesmedienzentrale Hessen dazu befragen.

Wer das Verhalten des Senders oder des Moderators – sachlich – kritisieren möchte, kann den Sender unter dieser E-Mail-Adresse erreichen: info@mok-kassel.de. Die Landesmedienanstalt Hessen hat folgende E-Mail-Adresse: lpr@lpr-hessen.de. Auf der Facebook-Seite des Offenen Kanals Kassel wurde ebenfalls über das Thema diskutiert. Der Beitrag wurde jedoch zwischenzeitlich gelöscht und mit ihm die Diskussion dazu, ohne dass auf noch offene Fragen noch eingegangen worden wäre. Neu veröffentlicht wurde hingegen ein Beitrag zum Thema Medienkompetenz. Na dann.

Hier die Sendung im Stream

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