Schwule Männer haben einen großen gesellschaftlichen Vorteil gegenüber lesbischen Frauen. Sie sind Männer. Um auf die Mehrfachdiskriminierung von Lesben hinzuweisen und sie zu überwinden, lobt Berlin einen Preis für Sichtbarkeit lesbischen Lebens aus.
Regenbogenhauptstadt entdeckt die Lesben
Die Verwaltung Berlins hat erst jüngst die bitteren Früchte unklarer Definition von Zielvorhaben im queeren Bereich ernten dürfen. Die Initiative RuT e. V. hatte sich auf der sogenannten Schöneberger Linse um eine Fläche beworben, um das erste lesbische Wohnprojekt der Stadt und sogar der gesamten Republik zu realisieren. Auch die Schwulenberatung bewarb sich, denn die Ausschreibung richtete sich nicht zielgenau an lesbische Projekte, sondern an LGBTIQ*. Die Sache endete vorerst mit einem unschönen Streit, in der die Schwulenberatung ihre wirtschaftliche Macht nutzt und die Lesben von RuT nur hoffen können, dass es im zweiten Anlauf noch mal klappt mit dem Konzept.
Ein relativ gutes Fallbeispiel, um zu verdeutlichen, wo auch staatliche Stellen noch besser werden müssen, marginalisierten Minderheiten zu mehr Gleichberechtigung zu verhelfen. Wo aber auch schwule Männer eventuell noch einmal darüber nachdenken sollten, ihre – auch durch gesellschaftliche verfestigte Strukturen erreichte – Machtpositionen nicht immer auszuspielen.
Berlins Justizsenator Dr. Dirk Behrendt gab heute anlässlich des „Tag für Lesbische Sichtbarkeit“ (26. April) bekannt, dass Berlin ab sofort alle zwei Jahre den „Berliner Preis für lesbische* Sichtbarkeit“ vergibt, der mit 3.000 Euro dotiert ist.
„Lesbisches Leben gehört zur Geschichte und Gegenwart unserer Stadt. Lesbische Menschen haben Berlin positiv und nachhaltig verändert und unverzichtbare Spuren hinterlassen, die bisher nicht ausreichend gewürdigt werden. Oder aber ihre sexuelle Identität wird bewusst verschwiegen. Unsichtbarkeit und das Verschwinden lesbischer Kultur, von Orten der Selbstbehauptung und des sozialen Miteinanders sind die Folge. Dem möchte sich der Senat entgegenstellen.“
Bis zum 26. Mai können Nominierungen eingereicht werden. Vorgeschlagen werden dürfen:
- Lesben, unabhängig des bei der Geburt zugewiesenen Geschlechts, auch lesbische Gruppen/Initiativen,
- die durch ihr Handeln und ihr Engagement für lesbische* Sichtbarkeit
- eine Spur in dieser Stadt hinterlassen haben (Berlin-Bezug)
- und lesbisches Leben in der Regenbogenhauptstadt sichtbar machen.
Nicht nominiert werden dürfen Verstorbene, zuwendungsgeförderte Vereine/Projekte, Jury-Mitglieder oder Politiker*innen. Hier geht es zum Formular
Die Jury ist hochkarätig mit Frauen besetzt, die den Preis selbst auch verdient hätten. Unter anderem sind die Geschäftsführerin der Berliner Aids-Hilfe Ute Hiller und die Autorin Stephanie Kuhnen („Lesben raus!“) mit dabei.
Warum ein Sternchen?
Der Gendersternchen bei lesbisch* im Namen des Preises ist ein Paradebeispiel inklusiven Mitdenkens. Der Gegenwind, besonders auch aus Richtung schwuler Männer, ist fast vorprogrammiert. Dazu auf der Webseite der Stadt:
„Der Begriff „Lesbe ist“ historisch bereits weiter gefasst als ein reiner Verweis auf eine sexuelle Orientierung. So konnte innerhalb der Lesbenbewegung das Phänomen Intersektionalität schon früh diskutiert und mitgedacht werden. Eine Erweiterung des Begriffes mit einem Sternchen oder den Vorsilben „Trans“ und „Cis“ ist daher eigentlich unnötig.“
Aus klarstellenden Gründen verwende man den Stern aber dennoch, „um Mehrfachzugehörigkeiten, Abweichungen sowie unterschiedliche Haltungen gegenüber dem Begriff Lesbe noch deutlicher sichtbar zu machen. Dies dient auch der Herstellung von intersektionalen Sichtbarkeiten, z.B. hinsichtlich Beeinträchtigungen, Trans*hintergründe, von Rassismus Betroffener, ethnischer Herkunft, sozialen Status, Religion, Alter etc.“