„Sind Sie Eltern in einem Land, dann sind Sie Eltern in jedem Land“, erklärte Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen im Jahr 2020 und kündigte eine Strategie zur Stärkung von LGBTIQ*-Rechten und gegenseitigen Anerkennung familiärer Beziehungen in der EU an. Diese trägt nun ihre ersten Früchte: Behörden in Sofia müssen einem 2019 geborenen Kind mit zwei Müttern – die eine aus Bulgarien, die andere aus Gibraltar – eine Geburtsurkunde ausstellen, urteilte das Verwaltungsgericht in Sofia.
Als die kleine Sara im Dezember 2019 in Spanien zur Welt kam, erhielt sie eine spanische Geburtsurkunde, auf der zwei EU-Bürgerinnen als Eltern vermerkt sind – die eine Mama ist aus Bulgarien, die andere aus Gibraltar. Weil ihre gibraltarische Mama selbst weder in dem britischen Gebiet noch in Großbritannien geboren war, konnte dem Mädchen die britische Staatsbürgerschaft nicht verliehen werden, und das Paar wandte sich an die bulgarischen Behörden.
Bulgarien aber lässt die Homo-Ehe nicht zu und erkennt im Ausland geschlossene gleichgeschlechtliche Ehen nicht an. Somit lehnte die Stadtverwaltung von Sofia den Antrag auf Staatsbürgerschaft für Sara ab. Die Begründung: Für einen bulgarischen Personalausweis oder Reisepass benötige das Kind eine bulgarische Geburtsurkunde, in der nicht zwei Menschen desselben Geschlechts als Eltern aufgeführt sind. Saras Eltern legten Beschwerde beim städtischen Verwaltungsgericht in Sofia ein, das den Fall an den Europäischen Gerichtshof (EuGH) weiterleitete (männer* berichtete).
Präzedenzfall für queere Eltern
Der Fall „Stolichna obshtina, rayon Pancharevo“ schaffte es tatsächlich vor den Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH). Am 9. Februar 2021 wurde die Frage verhandelt , ob die Nichtanerkennung von Regenbogenfamilien einen Verstoß gegen die EU-Grundrechte-Charta darstellt, was den Fall schnell zu einem Präzedenzfall für queere Eltern werden ließ. In der Tat kam der EuGH am 14. Dezember 2021 zu dem Schluss, dass es gegen Artikel 7 und 24 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union verstößt,
wenn dem Kind bei der Ausübung seines Rechts auf Freizügigkeit die Beziehung zu einem seiner Elternteile genommen oder die Ausübung dieses Rechts unmöglich gemacht oder übermäßig erschwert wird, weil seine Eltern gleichgeschlechtlich sind.
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Happy End für Sara
Laut Urteil des EuGH sind die bulgarischen Behörden verpflichtet, Sara einen Personalausweis oder Reisepass auszustellen, den alle anderen EU-Mitgliedstaaten anerkennen müssen. Dieser Entscheidung leistete das Verwaltungsgericht in Sofia Folge und wies die Behörden der Hauptstadt an, dem Kind ein offizielles bulgarisches Dokument auszustellen, das unter anderem auch das Geschlecht der beiden Elternteile angibt. Die Begründung ist so einfach wie logisch:
„Bulgarien kann die Anerkennung, dass Sara von beiden Elternteilen abstammt, nicht mit der Begründung verweigern, dass die nationale Gesetzgebung die Institution der gleichgeschlechtlichen Ehe nicht vorsieht.“
*AFP/sah