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Julia Reichel und Matthias Block-Löwer sind die Ansprechpartner für Menschen in gleichgeschlechtlicher Lebensweise bei der Frankfurter Polizei
Matthias Block-Löwer und Julia Reichel sind die Ansprechpartner für Menschen in gleichgeschlechtlicher Lebensweise bei der Frankfurter Polizei. Im Herbst starten sie eine neue Kampagne „Für ein gewaltfreies Miteinander“ – im Gespräch mit dem GAB Magazin sprechen sie auch über steigende Gewaltstatistiken und geeignete Gegenmaßnahmen.
Sie waren mit ihren Kollegen in diesem Jahr wieder mit Ihrem Infomobil präsent auf dem CSD – wie war die Resonanz?
Julia Reichel: Das Feedback war absolut positiv! Wir hatten ein neues Giveaway mitgebracht: Einen Taschenalarm, der, wenn man einen Splint zieht, einen Höllenlärm macht – damit erzeugt man Öffentlichkeit. Wir werden oft gefragt, ob wir Pfefferspray befürworten, aber es gibt verschiedene Gründe, wieso wir das nur mit Vorbehalt empfehlen, vor allem weil man sich damit auch selbst treffen kann und es Leute gibt, die auf das Spray gar nicht reagieren. Der Taschenalarm ist ideal, da keine Eigengefährdung besteht. Er ist gefördert vom Verein „Bürger und Polizei“ und man kann ihn sich auch privat bestellen.
Matthias Block-Löwer: Ein weiterer Vorteil: Wenn der Schrillalarm aus der Hand geschlagen wird, macht er weiter Krach. Es ist ein tolles präventives Mittel, das wir speziell für den CSD mitgebracht haben. Der Präventionsrat der Stadt Frankfurt gibt ihn im Rahmen von Seminaren ihres Programms „Gewalt sehen helfen“ auch aus.
Es gab in letzter Zeit Meldungen, dass Gewalttaten gegen LSBTIQ*-Menschen bundesweit gestiegen sind. Bekommen Sie in Frankfurt auch mehr Meldungen?
Matthias Block-Löwer: Ja, wir bekommen mehr Meldungen. Aber die Frage ist, ob die Anzahl der Taten tatsächlich angestiegen ist, oder ob einfach mehr Taten bekannt werden. Es gibt ein sehr hohes Dunkelfeld, weil wir ein relativ schlechtes Anzeigeverhalten der Geschädigten haben. Wir und unsere Kollegen mit gleicher Funktion in den Ländern versuchen natürlich, das Bewusstsein bei den Geschädigten hervorzurufen: Wenn ihr Opfer einer Straftat wurdet, zeigt das bei der Polizei an! Und für Frankfurt können wir sagen, dass unsere Arbeit Früchte trägt, denn mehr Taten werden zur Anzeige gebracht. Diese Taten werden anonym statistisch erfasst, und bei der jährlichen Auswertung ist natürlich das Aufkommen im Vergleich zum Vorjahr höher. Das ist eine mögliche Erklärung für den Anstieg, und für mich auch die schlüssigste, denn die Straftaten hat es schon immer gegeben. Ob sie mehr geworden sind, können wir so nicht sagen, weil wir nur mit dem arbeiten können, was wir statistisch erfasst haben.
Julia Reichel: Man muss auch immer die Art der Straftaten betrachten. Durch unsere Aufklärungsarbeit werden inzwischen auch niedrigschwellige Taten wie Beleidigung oder Sachbeschädigung vermehrt zur Anzeige gebracht.
Matthias Block-Löwer: Wir haben auch Körperverletzungsdelikte registriert, was zum Beispiel auch schon gegeben ist, wenn man angespuckt wird und in seiner Ehre verletzt wird. Das ist von der Gewaltstufe sicherlich anders zu bewerten als wenn Sie auf dem Boden liegen und von mehreren Tätern zusammengeschlagen werden, was auch eine Körperverletzung ist. Insofern muss man unterscheiden und differenzieren zwischen den niedrigschwelligen Taten und Rohheitsdelikten wie Körperverletzung oder Raub.
Sind lediglich die Anzeigen für diese niedrigschwelligen Straftaten gestiegen?
Matthias Block-Löwer: Nein, wir verzeichnen einen Anstieg der Anzeigen in der gesamten Bandbreite, von Beleidigung über Sachbeschädigung bis Körperverletzung. Sie dürfen sich jetzt aber auch nicht vorstellen, dass wir hier 70 oder 80 Strafanzeigen bekommen, wir sind immer noch bei einem sehr geringen Anzeigeverhalten, aber gleichwohl macht es sich bemerkbar.
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Julia Reichel, Matthias Block-Löwer
Das hat vielleicht auch etwas mit dem Selbstwusstsein der Leute zu tun?
Julia Reichel: Ja, durchaus. Bei unseren Aufklärungs- und Informationsveranstaltungen mit Jugendlichen im Kuss 41 oder im LSKH haben wir festgestellt, dass sie eher eine Hemmschwelle haben zur Polizei zu gehen – zum Beispiel aus Angst, nicht ernst genommen zu werden. Wir erklären, dass man, selbst wenn man den Täter nur vage beschreiben kann, das trotzdem melden sollte. Man kann es auch schriftlich machen, wenn man nicht zur Polizei gehen möchte. Es gibt viele Wege, sich uns mitzuteilen. Ich könnte mir vorstellen, dass wir das Selbstbewusstsein gestärkt haben, weil wir deutlich machen, dass wir diese Taten eben nicht bagatellisieren, sondern erklären, dass niemand das Recht hat, einen zu beleidigen. Viele schämen sich auch, wenn sie Opfer einer Straftat werden. Das muss man aber nicht!
Matthias Block-Löwer: Es ist immer wichtig, sich sofort bei der Polizei zu melden, auch nachts. Die Beamten sind ja da. Nur so haben wir die Möglichkeit, sofort Fahndungsmaßnahmen zu ergreifen, weil die Täter vielleicht noch in der Nähe sind. Je länger man wartet, desto unwahrscheinlicher wird es, die Täter zu fassen und zur Rechenschaft zu ziehen. Daher sagen wir immer, trotz des Ausnahmezustands, in dem man sich nach einer Tat sicherlich befindet, einfach die 110 anzurufen.
Ändern die Statistiken die Maßnahmen der Polizei?
Matthias Block-Löwer: Grundsätzlich würden wir unsere Strategie ändern, wenn wir einen Straftatanstieg feststellen. Wir würden versuchen, Gegenmaßnahmen zu ergreifen: Mehr sichtbare Polizeipräsenz, den Einsatz von Zivilbeamten, präventive Maßnahmen wie den entsprechenden Ort besser auszuleuchten oder ähnliches. Die Konstablerwache oder die Hauptwache sind zum Beispiel Orte, an denen grundsätzlich viele Straftaten passieren. Ob der Täter jetzt immer ausnahmslos angegriffen hat, weil Sie homosexuell sind, muss man herausarbeiten. Falls es sich herausstellt, dass dort speziell Straftaten gegen Homosexuelle gerichtet sind, würde man den Fokus auch darauf legen: Wie können wir mit dieser Opfergruppe umgehen, welches Täterklientel haben wir und welche Möglichkeiten, dagegen vorzugehen? Eine solche Situation haben wir bislang noch nicht. Momentan kann man festhalten, dass Straftaten dort passierten, weil das einfach eine prädestinierte Stelle dafür ist.
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Plakat-Aktion für ein gewaltfreies Miteinander
Sie bieten regelmäßig Workshops und Informationsveranstaltungen an, organisieren Sie das selbst oder kann man Sie anfragen?
Julia Reichel: Sowohl als auch. Wir sind im ständigen Dialog mit den Einrichtungen, und wenn Bedarf ist, unsere Tätigkeit vorzustellen oder einfach prinzipiell mit der Polizei ins Gespräch zu kommen, dann fragen die Einrichtungen uns an, oder wir bieten proaktiv an, vorbeizukommen.
Welche präventiven Maßnahmen bieten Sie außerdem an?
Matthias Block-Löwer: Es gibt über den Präventionsrat der Stadt Frankfurt eine Arbeitsgruppe für lesbisch-schwule, trans*, bi- und intersexuelle Menschen. Dieser Arbeitsgruppe gehören neben uns auch das AmkA, die Bundespolizei, der Präventionsrat, die Stadt, das Ordnungsamt, Broken Rainbow, die AIDS-Hilfe und die Stabstelle für Flüchtlinge an. Wir treffen uns in der Regel zwei Mal im Jahr, tauschen uns aus und versuchen, neue Projekte anzustoßen. Das haben wir jetzt letztlich wieder getan und ein bestehendes Projekt neu aufgegriffen: Das Plakat zum Thema „Keine Gewalt gegen Schwule und Lesben“, das es 2004 schon einmal gab. Wir haben es aufgearbeitet, um eine andere Botschaft rüberzubringen: Für ein gewaltfreies Miteinander. Das wird auch in verschiedenen Sprachen dargestellt. Neben dem Plakat wird es auch die Notfallkarten mit den Rufnummern geben. Diese liegen in öffentlichen Häusern der Stadt aus. Wir wollen damit aber auch in die Szenelokale gehen, um innerhalb der Szene verstärkt das Bewusstsein hervorzurufen, dass es uns als Polizei und die anderen Organisationen gibt, an die man sich wenden kann, wenn irgendetwas passiert. Das muss nicht immer etwas mit einem polizeilichen Institut zu tun haben, sondern es sind zum Beispiel auch Beratungsstellen zum Bereich Trans*- und Intersexualität aufgeführt. Und jetzt hoffen wir, dass das entsprechenden Anklang in der Community findet.
Julia Reichel: Wir haben die Aktion bereits beim CSD auf der Bühne vorgestellt und das Plakat präsentiert. Und jetzt freuen wir uns auf eine gute Resonanz!
Kontakt zu Matthias Block-Löwer über 069 75566777, zu Julia Reichel über 069 75566999, www.polizei.hessen.de/rainbow
Bilder:
„Frankfurt-Polizei_01“ + „Frankfurt-Polizei_02“
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„Frankfurt-Polizei-Plakat“
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