Schottland ist das erste Land der Welt mit einem LGBTIQ*-inklusiven Bildungssystem, das heißt, der Unterricht über LGBTIQ*-relevante Themenfelder ist in allen schottischen Lehrplänen verankert. Der Schritt ist Teil einer umfassenden Strategie zur Eindämmung von Vorurteilen gegenüber LGBTIQ*-Jugendlichen im Bildungssystem.
Wie kam es dazu?
Foto: twitter.com/tiecampaign
TIE
Gruppenfoto mit Regierungsabgeordneten, die sich einen Regenbogen-Schlips vor die Brust halten (2018).
Nachdem Forschungsergebnisse gezeigt haben, dass Homophobie, Biphobie und Transphobie ein großes Problem an schottischen Schulen darstellen und sich LGBTIQ*-Jugendliche an schottischen Schulen unterrepräsentiert und ausgeschlossen fühlen, rief Bildungsminister John Swinney im Mai 2017 die Kampagne „Time for Inclusive Education“ (TIE) ins Leben.
Eine im November 2018 eingerichtete Taskforce „Gleichstellung der Geschlechter in Bildung und Lernen“ erarbeitete gemeinsam mit dem Expertenteam von TIE die Eckpunkte der neuen LGBTIQ*-Lehrpläne und ermittelte die Maßnahmen zur Bekämpfung der Ungleichheit der Geschlechter (wir berichteten).
Die Kampagne verfolgt den Ansatz, unter den Schüler*innen, aber auch unter dem Lehrpersonal ein Bewusstsein für queere Identitäten zu schaffen.
Foto: www.tiecampaign.co.uk/
Unterrichtsmaterialien
Die Kernthemen, etwa die Geschichte der LGBTIQ*-Bewegung, werden in verschiedenen Altersgruppen und Fächern vermittelt. Damit werden junge queere Menschen gestärkt und Vorurteile, die häufig zu Mobbing führen, abgebaut. Das auf diese Weise geschaffene Bewusstsein soll helfen, Diskriminierung zu verhindern.
Foto: www.tiecampaign.co.uk/
Gemeinsam mit einem queeren Expertenteam der Kampagne TIE erarbeiten die Kinder Themenfelder wie Biografien von Schlüsselfiguren innerhalb der LGBTIQ*-Community.
Der Erfolg gibt dem Programm recht
93 Prozent der Schüler*innen, die an den LGBT-inklusiven Schulstunden teilnahmen, gaben an, ein besseres Verständnis für homophobes, biphobes und transphobes Mobbing zu haben.
82 Prozent der Schüler*innen gaben an, keine abwertende Sprache oder Schimpfwörter wie „das ist so schwul“ mehr verwenden zu wollen.
82 Prozent der Schüler*innen, die zuvor eine negative Meinung über queere Personen hatten, gaben an, dass sie ihre Meinung positiv geändert haben, nachdem sie am LGBTIQ*-inklusiven Unterricht teilgenommen hatten.
In Deutschland ein zäher Kampf gegen Lügen und Hetze
Was in Schottland so reibungslos und erfolgreich zu funktionieren scheint, hatte und hat in Deutschland teilweise immer noch Volksaufstands-Charakter: Die aus dem Umfeld evangelikaler Hardcore-Christen und rechter Netzwerke wie der sogenannten „Bürgerinitiative Familienschutz“ stammenden Bewegungen „Demo für alle“ und „Besorgte Eltern“, erreichten 2015 und 2016 bundesweite Aufmerksamkeit. Als in Baden-Württemberg queere Vielfalt als Querschnittsthema in den Bildungsplänen verankert werden sollte, schafften Hedwig von Beverfoerde (Umfeld Beatrix von Storch, AfD) und weitere illustre Gestalten es, mit Lügen über Sexualaufklärung Massen zu bewegen.
Inzwischen haben sich die Wogen etwas geglättet und die meisten Bundesländer mehr oder weniger queerinklusive Bildungspläne verabschiedet. Dennoch versuchen Beverfoerde und Co mit mutmaßlich international vernetzten und finanzierten Kampagnen, weiter Stimmung gegen alles zu machen, was einer fundamentalchristlichen Auslegung der Bibel widerspricht.
Foto: Christian Maluck
„Besorgte Eltern" in Hamburg 2015
Christian Maluck verfolgte das Treiben von „besorgten Eltern“ und wirkt seitdem auch an der Facebook-Seite „Besorgte Homos“ mit (www.facebook.com/besorgte). Mit LGBTI-Politik beschäftigt sich Christian Maluck seit etwa 20 Jahren. Unter anderem war er 12 Jahre ehrenamtlich beim schwul-lesbischen Magazin Uferlos bei Radio LORA München 92.4 engagiert. Zwei Lesetipps:
- #Hetze: Besorgte Eltern: Vielfaltsaufklärung „abartig“ – LGBTI „nicht Ok“
- #Framing: „Sexuelle Verhaltensweisen" – Wie Beverfoerde und Co tricksen