Mit 68 sind die meisten längst in Rente -–Friedrich Merz nimmt Anlauf für sein großes Lebensziel: den Einzug ins Kanzleramt im kommenden Jahr. Nach einigen Turbulenzen zu Beginn seiner Amtszeit als CDU-Chef war die Kritik an Merz in den letzten Monaten leiser geworden. Mancher sah das Ergebnis seiner Wiederwahl beim CDU-Bundesparteitag aber auch als Dämpfer für den selbstbewussten Parteivorsitzenden.
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Friedrich Merz 2024
Der ewige Kandidat
Merz ist seit Jahrzehnten in der Politik und schien schon nach der Wiedervereinigung auf dem Weg nach ganz oben. Ab 2000 war er Vorsitzender der Unionsfraktio
n, doch die damalige CDU-Chefin Merkel verdrängte ihn 2002 von dem Posten. Ein Trauma für Merz, fortan lagen beide im Clinch. 2009 zog sich der Sauerländer ernüchtert aus der aktiven Politik zurück und ging in die Wirtschaft. Ein Jahrzehnt später kehrte er aus dem selbst auferlegten Exil zurück: 2018 und 2020 versuchte er vergeblich, Parteichef zu werden. Erst nach dem Wahldebakel von Armin Laschet bei der Bundestagswahl 2021 war der Weg für den ewigen Kandidaten endlich frei.
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Der nordrhein-westfälische Ministerpräsident und CDU-Abgeordnete Hendrik Wuest (l.) und der ehemalige Gesundheitsminister Jens Spahn
Als Kanzlerkandidat in der CDU alternativlos?
Merz’ Ergebnis bei der Wiederwahl als Parteichef beim Bundesparteitag galt als Stimmungsindikator für seine Pläne für die Kanzlerkandidatur. Er erhielt 89,8 Prozent - deutlich weniger als vor zwei Jahren und weniger als der von ihm installierte CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann, der auf 91,4 Prozent kam.Klar ist, dass Merz nicht unumstritten ist. Noch vor einem Jahr hatte die offen ausgetragene Rivalität zwischen Merz und NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst für Schlagzeilen gesorgt. Auch jetzt schneidet Wüst in Beliebtheitsumfragen besser als Merz ab; doch nun stärkte der NRW-Regierungschef dem Parteichef demonstrativ den Rücken. Dieser habe der CDU „nach der verlorenen Bundestagswahl wieder Stabilität gegeben”.
Die Söder-Frage
Deutlich besser als von Merz und Wüst sind die Beliebtheitswerte von CSU-Chef Markus Söder. Er hatte schon vor der Wahl 2021 versucht, nach der Kanzlerkandidatur der Union zu greifen. Die damaligen Streitereien gelten als ein Faktor, der zur krachenden Niederlage bei der Bundestagswahl beigetragen hat. Söder stichelt zwar auch gerne gegen Merz, gab sich aber in den letzten Monaten staatstragend und sah den CDU-Chef in der Kandidatenfrage in der „Favoritenrolle”.
Zeitplan für die K-Frage
Seit Monaten verweist Merz auf den Zeitplan, auf den er sich mit Söder geeinigt hat. Die Entscheidung soll nach offizieller Lesart „im Spätsommer/Frühherbst” fallen – und damit nach den Landtagswahlen in Thüringen und Sachsen (1. September) sowie Brandenburg (22. September). Söder und Merz betonen, dass sie sich danach abstimmen wollen. Nach Protest aus CDU-geführten Ländern sollen nun auch diese „mitgenommen” werden.
Die Landtagswahlen als Härtetest
Erklärtes Ziel von Merz ist es, alle drei Wahlen im Osten zu gewinnen. In den Umfragen steht die CDU allerdings derzeit in Sachsen und Thüringen auf Platz zwei hinter der AfD, in Brandenburg teils erst auf dem dritten Platz hinter AfD und SPD. Zudem hat sie begrenzte Optionen für Koalitionen, da sie auch zur Linkspartei einen Unvereinbarkeitsbeschluss gefasst hat – und dies ebenfalls für das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) tun könnte. CDU-Generalsekretär Linnemann reagiert dann auch etwas genervt auf Fragen nach Folgen des Wahlergebnisses für die Kanzlerkandidatur: „Eine Wahl im Osten wird doch nicht entscheidend sein für die Frage, wer Kanzlerkandidat wird”, sagte er vor dem Parteitag. Einige in der CDU wie Schleswig-Holsteins Regierungschef Daniel Günther könnten sich bei einem schlechten Abschneiden aber bestärkt sehen, ihre Kritik an einem zu stramm-konservativen Kurs von Merz zu erneuern, der traditionelle Wähler der Mitte verschreckt.
Mensch Merz
Ein Unsicherheitsfaktor ist auch Merz selbst. In der Vergangenheit hat er immer wieder polarisiert mit umstrittenen Sprüchen, etwa als er arabischstämmige Jugendliche als „kleine Paschas” bezeichnete. Vor seiner Zeit als Parteichef rückte er Homosexualität schon mal in die Nähe von Pädophilie. Und bei Kritik kann Merz schnell dünnhäutig werden und soll vergangenes Jahr im Konflikt mit Wüst sogar gedroht haben, den Job hinzuwerfen.
*Martin Trauth/pw/hol