Bei der ersten landesweiten LGBTIQ*-Wahlstudie zu einer Nationalratswahl in Österreich wurden 473 Fragebögen von Wählern ausgewertet, die sich „nicht ausschließlich heterosexuell“ definieren. Neben der Parteipräferenz erfassten die Wissenschaftler dabei auch wahlentscheidende Themen. Das Ergebnis ist ein Negativbild der allgemeinen Prognosen. Während die Gesamtheit der Österreicher voraussichtlich die konservative ÖVP und die rechtspopulistische FPÖ nach vorne wählen wird, sind in der LGBTIQ*-Wahlstudie klar die sozialdemokratische SPÖ und die Grünen an der Spitze.
Parlament Wien
Skulptur des griechischen Politikers und Philosopen Xenophon vor dem Parlament in Wien
Die ersten Hochrechnungen für die Nationalratswahlen in Österreich am 15. Oktober sahen so aus: Die konservative Österreichische Volkspartei (ÖVP) mit Spitzenkandidat Sebastian Kurz siegt mit 31,6 Prozent, an zweiter Stelle liegt die Sozialdemokratischen Partei Österreichs (SPÖ) mit 26.9 Prozent, an dritter die rechtspopulistische Freiheitliche Partei Österreichs (FPÖ) mit 26 Prozent. Die Grünen stürzen mit 3,9 Prozent völlig ab, die liberale NEOS liegen bei 5,1 Prozent, die Liste des ehemaligen Grünen-Abgeordneten Peter Pilz liegt bei 4,3 Prozent und schafft damit, die in Österreich bestehende Vier-Prozent-Hürde. Damit wird es voraussichtlich zu einer Koalition bestehend aus ÖVP und FPÖ kommen.
Entgegen diesem allgemeinen Rechtstrend sahen die Ergebnisse der LGBTIQ*-Studie, die Wissenschaftler aus Wien und Gießen in Kooperation mit der HOSI Wien mittels Online-Fragebögen ermittelt hatten, die Parteipräferenz der nicht-heterosexuellen Wähler*innen bei den linken Parteien. Insbesondere die SPÖ (31,1 Prozent) und die Grünen (30,7 Prozent) schnitten gut ab. Auch NEOS (9,3 Prozent) und Liste Pilz (9,1 Prozent) konnten bei LGBTQ*-Wähler*innen punkten. Die Präferenz für die Grünen war bei Lesben stärker ausgeprägt als bei Schwulen, während der Anteil der Schwulen, die SPÖ, NEOS und Liste Pilz bevorzugten, größer war als jener der Lesben. Der Rückhalt für ÖVP und FPÖ war bei LGBTIQ*-Personen dagegen sehr gering. Nicht zuletzt, weil beide Parteien in ihren Wahlprogrammen keinerlei Angebote für LGBTQ*-Wähler machten.
SPÖ, Grüne und NEOS hingegen sprachen sich explizit für eine Gleichstellung von LGBTQ*-Personen aus. Die Themen Homophobie und Diskriminierung waren für die LGBTIQ*-Anhänger von den Grünen, SPÖ, NEOS und Liste Pilz wichtig. Zentral war auch die „Ehe für alle“. Darüber hinaus wurde den Themen Migrations-, Asyl- und Flüchtlingspolitik, Diskriminierung sowie Bildungspolitik eine hohe Bedeutung zugemessen. Die Forderungen, dass Parteien eine LGBTQ*-freundliche Politik betreiben und sich Kandidaten mit der LGBTQ*-Community solidarisieren, wurde als weitaus wichtiger erachtet als der Wunsch, dass Kandidat*innen antreten, die out sind.
Die Ergebnisse der Studie wurden in einer Online-Umfrage ermittelt, die vom 20. August bis zum 20. September lief. Es beteiligten sich 605 Österreicher. Bei der Auswertung konnten 473 Fragebögen berücksichtigt werden. Damit ist die Studie nicht repräsentativ, aber sie liefert solide empirische Angaben über eine Wählergruppe, die bislang nicht ausführlich analysiert wurde, aber geschätzte zehn Prozent von Österreichs Gesamtbevölkerung ausmacht (650.000 Wähler).