Die aktuellen Zahlen über queerfeindliche Gewalt richten ein Brennglas auf die Leerstelle im Grundgesetzartikel 3: Als einzige in der NS-Zeit verfolgte Gruppe sind Queers dort nicht einmal mitgemeint. Zum 75. Geburtstag daher nur ein Wunsch!
Foto: John MacDougall / AFP
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Ferda Ataman ist Antidiskriminierungsbeauftragte des Bundes
Die Antidiskriminierungsbeauftragte des Bundes, Ferda Ataman, hat ein Verbot der Diskriminierung von queeren und alten Menschen in der Verfassung gefordert. Der Artikel drei des Grundgesetzes, wonach alle Menschen vor dem Gesetz gleich sind, sei bisher
„so löchrig wie ein Schweizer Käse",
sagte Ataman den Zeitungen der Funke Mediengruppe vom Sonntag anlässlich des 75. Jubiläums des Grundgesetzes. Die Abgeordneten des Deutschen Bundestages sollten das Jubiläum dafür nutzen, „endlich die Lücken im Grundrechtskatalog zu schließen", forderte sie. Ataman erinnerte daran, dass bis 1994 Menschen mit Behinderung nicht im Grundrechtskatalog berücksichtigt waren. Bis heute warteten queere Menschen darauf, dass es ein Diskriminierungsverbot wegen der sexuellen und geschlechtlichen Identität im Grundgesetz gibt, betonte sie. Auch vor der Altersdiskriminierung schütze das Grundgesetz bisher nicht, ergänzte Ataman – anders als das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz. Ataman sagte, der Demokratie gehe es so gut, wie es ihren Minderheiten geht.
„Das wussten die Verfassungsväter und -mütter und wollten mit dem Grundgesetz die Vielfalt schützen."
Breites Bündnis für Ergänzung
Zeitplan Kundgebung
- 13 Uhr: Start der Kundgebung – Regenbogenfahne ausbreiten
- 13 Uhr: Redebeiträge von GFA, LSVD, uvm.
- 14 Uhr: Pressefoto mit Demobanner
- 14 Uhr: Offenes Mikrofon
- 15 Uhr: Abschluss der Kundgebung
23.5., Bertolt-Brecht-Platz (vor dem Berliner Ensemble) , 10117 Berlin, 13 – 15 Uhr, www.grundgesetz-fuer-alle.de
„75 Jahre Grundgesetz: ein Grund zum Feiern! Was nicht so feierlich ist: Das Grundgesetz schützt bis heute noch immer nicht explizit Menschen vor Diskriminierung aufgrund ihrer sexuellen oder geschlechtlichen Identität. Unter der aktuellen Fassung des Grundgesetzes konnte so zum Beispiel der Anti-Homo-Paragraph 175 oder das diskriminierende Transsexuellengesetz existieren.“
Chris*tian Gaa, Mitinitiator der Initiative GFA
Die Initiative Grundgesetz für Alle (GFA) ruft am Tag des Grundgesetzes (23. Mai) zur Kundgebung in Berlin auf und fordert zum 75-jährigen Jubiläum des Grundgesetzes die Ergänzung zum Schutz queerer Menschen. Die Initiative GFA ist ein Zusammenschluss von aktuell mehr als 200 bundesweit tätigen queeren Organisationen, Großunternehmen und Prominenten wie u.a. Anne Will, Udo Lindenberg und Rosa von Praunheim, sowie zahlreichen Abgeordneten der demokratischen Bundestagsfraktionen. Sie alle fordern einen expliziten Schutz der sexuellen und geschlechtlichen Identität durch eine Ergänzung des Artikels 3, Absatz 3 Grundgesetz.
Aktueller Koalitionsvertrag
Im Koalitionsvertrag haben SPD, FDP und Bündnis 90/ Die Grünen eine Anpassung des Artikels 3, Absatz 3 Grundgesetz für Lesben, Schwule, Bisexuelle, trans* und intergeschlechtliche sowie queere (LSBTIQ*) Menschen in Aussicht gestellt (siehe Koalitionsvertrag 2021: S. 96).
Siehe auch hier: https://www.bundesregierung.de/breg-de/service/gesetzesvorhaben/koalitionsvertrag-2021-1990800
Aktuelle Fassung des Artikels 3, Absatz 3 Grundgesetz
„Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.“
Siehe auch hier: www.bundestag.de/gg/grundrechte
Feierstunde der Regierung nutzen!
Mit einem Staatsakt im Berliner Ensemble werden am 23. Mai 2024 die Feierlichkeiten zum 75. Jubiläum des Grundgesetzes eröffnet. Die Initiative Grundgesetz für Alle (GFA) nimmt das Jubiläum zum Anlass, um auf den in Deutschland noch immer fehlenden verfassungsmäßigen Schutz queerer Menschen aufmerksam zu machen.
„Rechtspopulist*innen warten nur darauf, die Uhr wieder zurückzudrehen: Errungenschaften wie die Ehe für Alle und das Selbstbestimmungsgesetz könnten wieder abgeschafft werden. Mit Blick auf die zunehmende Queerfeindlichkeit in Deutschland und Bedrohung durch Rechts ist es Zeit, jetzt zu handeln!“
Henny Engels, Bundesvorstand des Lesben- und Schwulenverbands in Deutschland (LSVD)
*kbh/hcy/AFP/ck