Foto: Denise Biffar
Wolfrum_Sebastian
Ein wahrlich ungewöhnlicher Lebensweg, den das Buch „Endlich ich“ erzählt. „Darf ich das mir von Gott gegebene Geschlecht verändern?“, fragte Pfarrer Sebastian Wolfrum sich immer wieder.
Bis zu seinem Coming-out 2017 kannte ihn seine Gemeinde als Silke, doch die war er nicht. Seine „Häutung“, wie er seine bewusste Entscheidung nennt, verkündete er dann in der Kirche im fränkischen Veitshöchheim. Bis dahin war es für ihn ein langer Prozess. Darf er als Christ in die Schöpfung so stark eingreifen? Darf er das als Pfarrer? Wie reagiert die Gemeinde? Denn auch wenn man das nutzen darf/soll/kann, was Göttin/Gott einem an Fähigkeiten und Möglichkeiten gegeben hat, ist da immer noch das Umfeld, das soziale Gefüge, das es nun mit einem neuen Menschen zu tun hat. Das vor wenigen Monaten beim Münchner Claudius Verlag erschienene Buch „Endlich ich – Ein transsexueller Pfarrer auf dem Weg zu sich selbst“ ist ein äußerst intimer und lesenswerter Blick auf einen mutigen Menschen. Und es macht Mut, zu sich zu stehen! Wir chatteten mit dem Pfarrer.
Kannst du mit dem Wort „queer“ etwas anfangen oder lehnst du das eher ab?
Ich finde das Wort sehr treffend. Es zeigt einfach, dass es mehr zwischen Himmel und Erde gibt, als in unsere vertrauten Schubladen passt. Soweit ich das erkennen kann, ist „queer“ nicht negativ besetzt. Auch das hilft queeren Menschen, sich in unserer Gesellschaft wiederzufinden.
Wovor hattest du mehr Angst: vor der Reaktion der Gemeinde, deiner Freunde oder der Kirche?
Angst ist vielleicht nicht ganz zutreffend. Die größten Fragen hatte ich schon Richtung Kirche und Gemeinde. Kann ich in meinem Beruf bleiben, kann ich in meiner Gemeinde bleiben? Das war ja nicht von Anfang an sicher. Und die Reaktion in einem 10.000-Einwohner-Ort kann man im Vorfeld immer schwer einschätzen.
Welche Hürde musst/willst du noch bezwingen?
Die größten Hürden habe ich hinter mir. Jetzt gilt es vor allem, sich im Alltag des neuen, richtigen Lebens einzufinden. Die Operationen werden sicher noch mal eine Herausforderung. Sie sind für mich der letzte Schritt zur äußeren Angleichung.
Wie lebt es sich als Trans* auf dem Land? Muss man mehr kämpfen?
Die Region hier ist ja eher städtisch geprägt. Aber klar, es ist etwas überschaubarer als in den großen Metropolen. Ich würde nicht sagen, dass ich mehr kämpfen musste. Aber als Pfarrer bin ich auch öffentliche Person und kann in einem kleineren Lebensraum nicht so einfach in der Anonymität abtauchen. Insofern bin ich mehr gefordert. Vielleicht hilft das sogar eher. Dadurch, dass die Menschen mich seit Jahren kennen, fiel es vielen sogar leichter, meinen Weg zu akzeptieren, weil sie konkret eine Person vor Augen haben, die sich auf den Weg der Transition macht. Sie erleben, dass ich zunehmend in mir ruhe und es sich sehr stimmig anfühlt.
*Interview: Michael Rädel